Wenn plötzlich die Angst kommt: Panikattacken verstehen und überwinden (German Edition)
geschieht. Wenn ich Patienten frage: »Was würde geschehen, wenn Sie nicht aus dem Geschäft laufen würden, wenn Sie eine Panikattacke bekämen?«, dann antworten sie manchmal: »Aber ich würde es niemals so weit kommen lassen.« Mit anderen Worten, sie verfügen über ein so ausgeklügeltes System von Vermeidungsstrategien, dass sie überhaupt nicht mehr darüber nachdenken müssen, was geschehen könnte. Die Betroffenen sollten all diese Strategien fallen lassen und einmal aussprechen, was das Schlimmste wäre, das geschehen könnte. Einige der häufigsten Befürchtungen und (falschen) Glaubenssätze finden Sie in den Kapiteln 5 bis 8.
Nachdem sie in Worte gefasst haben, wovor sie sich fürchten, sollten sie eine Reihe von persönlichen Experimenten durchführen, um herauszufinden, ob dies wirklich geschieht.
Ein solches Experiment würde folgende Punkte beinhalten:
1) Auf Vermeidungsstrategien verzichten und sich bewusst in eine Panik auslösende Situation bringen
Das kann beispielsweise bedeuten:
– bestimmte Orte bewusst aufzusuchen;
– sich absichtlich in bestimmte Situationen zu bringen;
– bestimmte Gefühle zuzulassen;
– sich bewusst mit bestimmten bevorstehenden Ereignissen zu beschäftigen;
– bestimmte, Angst auslösende Handlungen zu vollziehen;
– Gedanken über Panik zuzulassen;
– nicht länger zu versuchen, auf Schlaf zu verzichten.
2) Keine Maßnahmen ergreifen, die dazu geeignet sind, eine Panikattacke zu verhindern
3) Nach Beginn einer Panikattacke nichts tun> das ihren Verlauf abschwächt (auf »Lebensretter« verzichten)
Mit anderen Worten: Die Patienten müssen sich bewusst einer Panikattacke aussetzen, ohne in ihren Verlauf einzugreifen. Erst nachdem sie die Schritte 1,2 und 3 vollzogen haben, können sie wirklich wissen, was während einer Panikattacke geschieht. Wenn sie die Probe aufs Exempel machen und feststellen, dass sie nicht sterben, ohnmächtig werden, die Kontrolle verlieren usw., dann werden ihre Panikgefühle nach und nach abgebaut. Natürlich empfinden Panikpatienten solche Experimente als sehr bedrohlich. Man verlangt ihrer Einschätzung nach von ihnen, ihr Leben oder ihre Gesundheit aufs Spiel zu setzen.
Wie ich bereits sagte, war in Terrys Fall nur ein einziges, einfaches persönliches Experiment vonnöten. Bevor wir nun weiter ins Detail gehen, wollen wir uns mit einem komplexeren Fall befassen. Ralph musste eine ganze Reihe von persönlichen Experimenten durchführen, um herauszufinden, dass Panikattacken ungefährlich sind.
15. Ralph – ein Beispiel für eine erfolgreiche Therapie
Der zum damaligen Zeitpunkt 28-jährige Student Ralph hat das von mir beschriebene Therapieprogramm absolviert. Er ist ein authentisches Beispiel dafür, dass auch jemand, der unter sehr schweren Panikattacken leidet, vollständig geheilt werden kann.
Natürlich ist jeder Mensch, der von Panikattacken betroffen ist, völlig einzigartig, und kein Fall gleicht dem anderen in allen Einzelheiten. Ralphs Geschichte hat vieles mit der anderer Panikpatienten gemeinsam; in mancher Hinsicht bestehen jedoch sicherlich Unterschiede. Ungewöhnlich ist die Tatsache, dass er seine ersten Panikattacken bereits im Alter von dreizehn Jahren erlitt – das ist früher als allgemein üblich.
Ich hörte zum ersten Mal von Ralph, als ein Psychiater, der am selben Krankenhaus arbeitete wie ich, mich bat, ihn zu behandeln; es handele sich bei ihm um einen besonders hartnäckigen Fall. Auf dringendes Anraten seines Hausarztes hatte er sich freiwillig in eine geschlossene Abteilung unserer Klinik einweisen lassen. Der Psychiater beschrieb ihn als sehr ängstlich; seine Pulsfreqenz war deutlich erhöht und er schwitzte übermäßig. Er litt unter Magenkrämpfen und befürchtete ständig, die Kontrolle über seine Blase und seinen Darm zu verlieren oder bewusstlos zu werden. Er wurde zunächst mit Fluoxetin behandelt und nach einiger Zeit nach Hause entlassen; allerdings wurde er zur ambulanten Weiterbehandlung an das Clinical Psychology Department überwiesen (in den meisten Fällen werden Panikpatienten ambulant behandelt). Ralph kehrte jedoch bereits am darauf folgenden Tag in die Klinik zurück; er hatte die ganze Nacht kein Auge zugetan und starke Panikgefühle gehabt. Er erhielt Diazepam und Fluoxetin, und der Psychiater bat mich dringend, ihm einen Gesprächstermin zu geben.
Erste Sitzung: Die Angst, verrückt zu werden
Ich lernte Ralph am darauf
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