Wenn plötzlich die Angst kommt: Panikattacken verstehen und überwinden (German Edition)
Zeit damit, darüber zu sprechen, was Alleinsein für Ralph bedeutete. Wir beschäftigten uns mit seiner Vergangenheit, um die Gründe für seine gegenwärtigen Probleme zu entdecken (wie in den Kapiteln 9 bis 11 beschrieben), statt uns auf praktische Übungen zur Überwindung der »Angst vor der Angst« zu konzentrieren.
Alleinsein war für Ralph gleichbedeutend mit »nicht geliebt werden«. Bis zum Alter von dreizehn Jahren war die Liebe und Zuwendung, die er erhalten hatte, eher spärlich bemessen gewesen.
Seine Mutter hatte ihn nicht viel Zuneigung spüren lassen, und er hatte seine Eltern immer als etwas distanziert empfunden. Als seine Eltern in Erwägung zogen, ihn ins Internat zu schicken, hatte er ihnen gesagt, dass er lieber bei ihnen und ihren Freunden bleiben würde, auch wenn er dann eine weniger gute Ausbildung bekäme. »Aber ich hatte immer das Gefühl, dass sie mir überhaupt nicht zuhörten.«
Als er dann allein im Internat war, dachte er, dass seine Eltern ihn nicht lieben würden, weil sie ihm das angetan hatten, und »dass ich, wenn sie mich nicht liebten, niemals in meinem Leben erfahren würde, was Liebe wirklich ist, und niemals eine Beziehung zu jemandem würde aufbauen können.«
Sechste bis achte Sitzung: Nun, nachdem die Angst verschwunden ist …
Die ersten fünf Sitzungen könnte man als »Kerntherapie« bezeichnen. Danach bekamen die Sitzungen eine etwas andere Form. Sie hatten nun folgende Bestandteile:
– Wir besprachen die praktischen Übungen, die Ralph durchgeführt hatte, und legten fest, welche Schritte er als Nächstes unternehmen würde.
– Ich erinnerte ihn an bestimmte Grundprinzipien, z.B. daran, dass er auf seine gewohnten Sicherheitsstrategien verzichten solle, und daran, dass es normal sei, gute und schlechte Tage zu erleben und gelegentlich Angst zu verspüren.
– Wir besprachen seine Neigung zu Pessimismus und negativem Denken. Er hatte oft Gedanken wie: »Wenn es mir nach dieser Therapie nicht besser geht, dann werde ich dieses Problem nie überwinden«, und: »Ich bin abhängig von den Sitzungen. Wenn die Therapie vorbei ist, werde ich mich nicht länger vonmeinen negativen Gedanken befreien können – allein habe ich nicht die Kraft dazu.«
– Wir beschäftigten uns mit der Frage, ob er wirklich »ein ganz normaler Mensch« sei oder ob er unter irgendeiner Form von Geisteskrankheit litte.
– Wir beschäftigten uns noch ausführlicher damit, was es für Ralph bedeutete, allein und »entfremdet« zu sein, und mit seinem Bedürfnis nach Sicherheit.
– Wir beschäftigten uns mit seinem Selbstwertgefühl, und zwar im Zusammenhang mit der Frage des Alleinseins. Im tiefsten Innern hatte er immer gedacht: »Wenn Ich allein bin, heißt das, dass ich nicht geliebt werde. Und wenn ich nicht geliebt werde, dann liegt das daran, dass ich nicht liebenswert bin. Ich kann daraus schließen, dass Ich kein besonders netter Mensch bin.«
Bei unserer achten Sitzung berichtete er, dass er nicht länger glaube, er könne die Kontrolle über sich selbst verlieren, und dass er an Orten, an denen er zuvor große Probleme gehabt hatte, kaum noch Angst verspüre. Er sagte, er habe in der Vergangenheit so viel Zeit damit verbracht, Angst vor dem zu haben, was in seinem eigenen Körper vorging, dass er nicht gelernt habe, mit Bedrohungen umzugehen, die von außen kamen. Er betonte auch, dass die Angst in seinem Leben eine so große Rolle gespielt habe, dass andere Gefühle im Keim erstickt oder nur kümmerlich entwickelt worden seien, und dass er nun Zeit für die Entwicklung seines emotionalen Lebens brauche. Er müsse, wie er es ausdrückte, »emotionale Stärke« entwickeln.
Der wesentliche Durchbruch war, dass er beschlossen hatte, wieder allein zu leben. Er war der Meinung, dass es für ihn nun an der Zeit sei, wieder zurück in sein Cottage zu ziehen. Er begann nach dieser Sitzung, diesen Plan Schritt für Schritt in die Tat umzusetzen.
Neunte Sitzung: Zum »Ort des Geschehens« zurückkehren
Ralph erklärte mir, wie schwierig es für ihn gewesen sei, »zu dem Ort zurückzukehren, an dem ich dachte, ich würde verrückt werden«. Da gab es so vieles, was ihn dazu verleiten wollte zu denken: »Ich werde verrückt« und sich beispielsweise aus dem Fenster zu stürzen. »Aber«, so sagte er, »ich halte an dem Gedanken fest, dass es nicht Verrücktsein ist, sondern einfach Angst.«
Sitzung zehn bis zwölf: Ist es möglich, Ängste zu vergessen?
Zum
Weitere Kostenlose Bücher