Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft
dachte, Paps und ich hätten dich besser erzogen. Ein Freund von dir wird brutal überfallen und beinahe umgebracht, und - und du hältst das für ein Spiel.»
Gaylord schob die Unterlippe vor, sagte aber nichts.
Jocelyn sagte: «Wirklich erschreckend geschmacklos, alter Knabe.»
Gaylord hatte damit gerechnet, daß Mummi sich aufregen würde. Aber er war wirklich verstört, daß auch Paps erregt war. Er wußte, wenn Paps sich einmischte, dann hatten die Dinge, wie Mrs. Twegg zu sagen pflegte, den Kulminationspunkt erreicht. «Entschuldige, Paps», murmelte er.
«Für Entschuldigungen ist es zu spät», sagte Mummi. «Du hast etwas sehr Herzloses getan.»
«Ganz davon abgesehen, daß du die Polizei bei ihren Nachforschungen irrgeführt hast», warf Constable Harris in freundlichem, aber bestimmten Ton ein.
«Richtig.» Das mußte Mummi natürlich sofort aufgreifen. «Während Constable Harris feststellen muß, was hier vor sich geht, hat jemand anders vielleicht seine Hilfe nötig.»
«Ich nehme an, das warst du, der da so geschrien hat?» sagte Constable Harris.
«Ja», sagte Emma stolz. «Ich hab geschrien und geschrien und geschrien. So...» Sie offerierte ihnen das täuschend echte Geräusch eines in den Tunnel einfahrenden Zuges.
«Hör auf!» sagte Mummi scharf. Emma hörte auf. Sie machte ein Gesicht wie eine Primadonna, deren hohes C soeben vom Publikum mit Buhrufen bedacht worden ist. Dann wandte sie sich an den Constable. «Haben Sie einen Gummiknüppel?»
«Nur keine Angst», sagte Harris.
«Hauen Sie die Leute damit?»
Constable Harris gab keine Antwort. Mummi sagte: «Ihr beide geht jetzt besser ins Bett.»
Gaylord wollte das nicht so ohne weiteres hinnehmen, obwohl er es im Grunde für eine gute Idee hielt, denn so wurde er wenigstens Emma los. Entrüstet sagte er: «Mummi, es ist noch nicht mal sechs.»
«Aber bald», sagte Mummi.
«Bestimmt nicht», sagte Gaylord. «Ich wette, es ist erst fünf.»
Paps rief energisch: «Gaylord, sei nicht ungezogen!»
Zu Gaylords Entsetzen fragte Emma: «Dürfen wir zusammen schlafen? „
«Nein», sagte Mummi und hatte damit bei Gaylord wieder einen Pluspunkt.
«Ich hab noch nie mit einem Mann geschlafen», sagte Emma.
Hier bei mir fängst du auch nicht damit an, dachte Mummi, und ging zurück ins Haus.
Die anderen folgten ihr. Gaylord grübelte traurig über die Ungerechtigkeit des Lebens nach. Er hatte das Spiel genauso blöd und töricht gefunden wie Mummi; er hatte es nur einem Gast zuliebe gespielt. Und nun schoben sie ihm alle Schuld in die Schuhe. Warum habe ich ihnen das bloß nicht erklärt, dachte er. Aber die Gründe waren zu kompliziert. Loyalität der Kusine gegenüber? Die unvermeidliche Opposition aller Kinder gegen die Erwachsenen? Reiner Trotz? Er wußte es nicht. Er wußte nur das eine: daß er wieder genau da war, wo er die meisten Stunden seines jungen Lebens verbracht zu haben glaubte: auf dem Sünderbänkchen.
Doch als er im Bett lag, kam Mummi in sein Zimmer, und er wußte sofort, daß sie eine ganz andere Mummi war. Sie war nicht mehr zwei Meter groß, und sie lächelte sanft, fast entschuldigend. Sie setzte sich zu ihm aufs Bett, nahm seine Hand, spreizte die Finger fächerförmig auf der ihren und betrachtete sie nachdenklich. «War das dumme Spiel wirklich deine Idee?» fragte sie.
Er schwieg. «Oder war es Emmas?» insistierte sie.
Er schwieg immer noch. « Wares Emmas?» fragte sie noch einmal.
«So ungefähr», flüsterte er.
«Das dachte ich mir.» Sie lächelte nachdenklich zu ihm herab. «Warum hast du das nicht gleich gesagt?»
«Ich weiß es nicht Mummi.»
«Ich glaube, ich weiß es», sagte sie und ließ es damit bewenden. Sie spielte noch immer mit seinen Fingern.
«Siehst du Willie noch gelegentlich?» sagte sie beiläufig.
Er runzelte die Stirn. «Ich glaube, ich hab ihn kürzlich mal gesehen, Mummi. Aber nur von weitem.»
Sie verbarg ihre Sorge. «Liebling, wie oft soll ich dir das noch sagen? Willie ist kein passender Umgang...»
«Aber er ist interessant, Mummi. Er hat nicht alle Tassen im Schrank.» Seine Augen leuchteten. «Ich kenne niemand sonst, der nicht alle Tassen im Schrank hat.»
Sie gab es auf. «Verstehst du, Gaylord, was Henry passiert ist, das könnte dir auch passieren», sagte sie. «Oder Emma. Und es könnte -noch schlimmer ausgehen.»
«Ja, Mummi.»
«Ich weiß, du kannst schon gut allein auf dich aufpassen. Aber Emma ist nur ein Mädchen, und jünger als du, und...» Sie
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