Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft
auf seinem überwachsenen Grund hielt sich noch die Hitze des Tages, und die hohen Felswände hüllte die Nacht ein.
Constable Harris lehnte sein Fahrrad gegen einen Baum und tauchte ins Dickicht. Er wußte eigentlich nicht, was er hier zu finden erwartete. Aber was er wirklich fand, war die Nacht, die hier unten, am Fuß der Felswände, etwas verfrüht eingekehrt war. Er leuchtete mit seiner Taschenlampe in die Runde. Blätter und ihre Schatten, Schneckenspuren, silbrigfeucht schimmernd im plötzlichen Licht, graue, samtene Nachtfalter, die zu Hunderten aufgescheucht herumtaumelten beim plötzlichen Erscheinen ihres geliebten und gehassten Feindes, des Lichts. Sonst nichts weiter. Doch halt, da drüben in der Ecke, direkt unter der Steinwand, da war doch was?
Eine alte, verfallene Holzhütte. Nun lassen wir einmal Willie aus dem Spiel. Angenommen, hier haust einer - zum Beispiel ein Landstreicher? Der sich tagsüber hier versteckt und nur nachts herauskommt? Er bahnte sich einen Weg durch das Gestrüpp. Die Brombeersträucher rissen an seiner Uniform. Er leuchtete das Innere der Hütte mit seiner Taschenlampe ab. Tatsächlich, hier hauste jemand -oder hatte jemand gehaust. Auf dem Boden Reste einer Mahlzeit, eine Papiertüte mit Abfällen, eine heruntergebrannte Kerze. Constable Harris knipste seine Lampe aus und trat wieder hinaus in die Dunkelheit. Hier würde er sich bei Tageslicht einmal gründlich umsehen. Das konnte nichts schaden. Vielleicht würde er sogar den Mann finden, den er suchte.
Im Westen sah der Himmel aus, als hätte ein Kind ihn mit Wasserfarben betupft. Doch May hatte keinen Blick für das zarte Spiel der Farben. Sie suchte etwas anderes. Und sie fand es.
Während die Farben verblaßten und unmerklich in Grau übergingen, entdeckte sie, was sie gesucht hatte. Lange schaute sie hin, und mit dem schwindenden Tageslicht wurde es immer heller, bis es blitzte wie ein Türkensäbel aus poliertem Stahl. Sie starrte zu ihm hinauf, bis er im Dunst versank und verschwunden war. Aber morgen abend wird er wiederkommen, dachte sie, und am nächsten Abend und am Abend danach. Und immer würde er ein bißchen runder werden, er würde unaufhaltsam wachsen wie ein Kind im Mutterleib. Bis... oh, was für eine Monstrosität hatten sie wohl zu erwarten, wenn der Mond sich in seiner Überfülle präsentierte?
Vielleicht steht eben in diesem Augenblick irgendwo jemand und starrt ihn an, genau wie ich. Und wartet auf seine Fülle, nicht mit Furcht, sondern mit Ungeduld. Und vielleicht schläft in diesem Augenblick irgendwo ein Opfer in einem stillen Raum und ahnt nicht, wie sogar noch die Phasen des Mondes an seiner Vernichtung mitwirken.
Doch mit dem Anbruch des Tages verblaßten solche nächtlichen Phantasien, denn es war ein Tag so voller Verheißung, daß man glauben mochte, alles Böse müsse sein Gesicht vor der gütigen Sonne verbergen und auf diesen honigsüßen, honigfarbenen Feldern und Wegen könne es keine Grausamkeit geben.
Mummi schob Amandas Wagen auf die Veranda hinter dem Haus und dachte: So frisch gebadet und gepudert in der milden Morgenluft in einem beschatteten Bettchen zu liegen, ohne Pflichten, ohne Sorgen - das muß doch der Gipfel menschlichen Wohlbehagens sein. Wenn doch nur jemand käme und sie selbst so gemütlich irgendwo hinpackte und ihr all ihre Erwachsenensorgen für ein paar Stunden abnähme.
Leise stellte sie den Wagen fest und schlich davon. Amanda hatte scheinbar friedlich geschlummert, doch als May ging, wurde sie vor Zorn krebsrot und schrie wie am Spieß.
«Ach, du kleines Dummchen», seufzte Mummi, «warum genießt du es nicht, so lange du es noch so gut hast? Ehe du dich versiehst, mußt du große Wäsche waschen, ein halbes Dutzend Betten machen, einen auf Minnepfaden irrenden Mann versorgen und sorgst dich obendrein um ein Kind, das in Gefahr ist.»
Für Constable Harris begann der Morgen mit brutzelndem Schinken und zwei Spiegeleiern, einem guten, starken Tee, Sonnenschein auf dem Frühstückstisch und der Aussicht, heute morgen im alten Steinbruch etwas Konkretes zu finden. Ich muß nur rasch vorher im Revier hereinschauen, dachte er, und dann aber nichts wie aufs Fahrrad und nachsehen, was es zu sehen gibt.
«Na, dann bis später», sagte er zu seiner Wirtin. «Wird eine Bullenhitze werden heute. Passen Sie auf, wir kriegen bestimmt über dreißig Grad.»
Vor sich hin pfeifend fuhr er davon. Im Geiste hörte er schon die Stimme seines Vorgesetzten
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