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Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft

Titel: Wenn süss das Mondlicht auf den Hügeln schläft Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Eric Malpass
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aufgenommen, die ihnen alles geben konnten, nur das eine nicht, was sie vor allem brauchten - das Gefühl selbstverständlicher Zugehörigkeit. Ich hätte sie nicht gehen lassen sollen, dachte sie. Wenn sie jetzt schon die Freudlosigkeit empfinden, die ihnen bevorsteht, dann bin ich daran schuld. Und das alles nur wegen eines unbegründeten Verdachts gegenüber einem Jungen und wegen einer meiner nicht würdigen Eifersucht auf ein Schulmädchen. Und ich werde es büßen müssen, dachte sie. Ich muß es mit meiner Angst um Gaylord büßen, denn jetzt ist er wieder allein, und das Damoklesschwert hängt noch immer über uns.
     
    Gaylord war frei. Es war höchste Zeit, daß er seinem Freund Willie wieder einmal einen Besuch abstattete. «Ich habe dir ein kleines Geschenk mitgebracht, Willie», sagte er und gab ihm eins von den kleinen Stäbchen.
    Willie betrachtete das Ding ohne sonderliche Begeisterung. «Was ist das? »
    Gaylord hatte insgeheim gehofft, das könnte Willie ihm erzählen. «Nichts Besonderes», sagte er. «Aber wenn du das unter dein Kopfkissen legst und darauf schläfst und dir was wünschst, dann geht es manchmal in Erfüllung.»
    «Nur manchmal?» fragte Willie.
    «Meistens», sagte Gaylord. «Ich hab’s schon probiert. Ich hab mir gewünscht, ich wäre der König von England.»
    Willie sah seinen Freund mißtrauisch an. «Aber du bist es doch nicht», sagte er sanft.
    «Na hör mal, ich bin doch noch gar nicht alt genug», sagte Gaylord.
    Daran hatte Willie nicht gedacht. Aber es war ein überzeugendes Argument. «Danke, Gaylord», sagte er und steckte das Ding erfreut ein. «Wirklich nett von dir.»
     

12
     
    Es war Neumond. Die Nächte waren warm und samten, Sternenstaub lag schimmernd über dem Himmel, und in den Gärten hing schwer der Duft der Levkojen und der Geruch von Erde und üppigem Grün. Vierzehn Tage sind es jetzt, dachte May, vierzehn Tage seit dem letzten Überfall. Vielleicht haben wir es ausgestanden. Vielleicht war es wirklich nur ein Fremder, der zufällig hier durchkam. Vielleicht müßten wir uns jetzt sogar unserer heimlichen Verdächtigungen schämen und versuchen, die ganze Sache wie einen Alptraum zu vergessen. Vielleicht... Da kam ihr ein Gedanke, der ihren Seelenfrieden jäh zerstörte. Es war Neumond. Und die Überfälle waren alle bei Vollmond geschehen. Konnte es sein, daß der ganze Schrecken von neuem begann, wenn der Mond wieder voll am Himmel stand? Oder waren das nur Ammenmärchen? Sie wußte es nicht und fragte ihren Mann.
    «Wie ist das eigentlich mit Geisteskranken? Sind die wirklich bei Vollmond schlimmer?»
    «Keine Ahnung. Es klingt sehr nach mittelalterlichem Aberglauben. Aber irgendwas ist dran.»
    «Dann hätten wir also, wenn das für den Unhold zutrifft, der die
    Kinder überfallen hat, jetzt eine Weile Ruhe, und man müßte damit rechnen, daß alles wieder anfängt, wenn wir Vollmond haben.»
    «O Gott», sagte er. «Daran habe ich nicht gedacht. Ich glaubte, die Gefahr sei vorüber.»
    May holte einen Kalender aus ihrer Tasche. «Gestern war Neumond. Wenn ich recht haben sollte, dann können wir uns in zehn Tagen auf etwas gefaßt machen.»
     
    Constable Harris radelte nachdenklich durch die abendlichen Wege. Im Westen sah der Himmel aus, als hätte ihn ein Kind mit Wasserfarben betupft. Doch Constable Harris hatte keinen Blick für das zarte Spiel der Farben. Der Constable hatte Sorgen. Vierzehn Tage waren nun verstrichen seit den beiden Überfällen. Nichts hatte sich seither ereignet, und seine Vorgesetzten waren schon geneigt, die ganze Geschichte zu den Akten zu legen. Nicht so Constable Harris. Jemand hatte diese Kinder auf dem Gewissen, und dieser Mensch konnte wieder zuschlagen - irgendwann. Es war seine Pflicht, weiter nachzuforschen und - wenn möglich - ein Unheil zu verhindern.
    Da war zum Beispiel dieser Willie Foggerty. Er machte einen durchaus harmlosen Eindruck. Harris hatte ihn sich vorgeknöpft und ein paar Worte mit ihm geredet, und obwohl er äußerst freundlich und sanft vorgegangen war, hatte Willie vor Angst sein kleines bißchen Verstand fast verloren. Aber damit war Willie für ihn noch nicht erledigt. Es kann nicht schaden, dachte er, mal einen Blick in den Steinbruch zu werfen, in dem Willie sich dauernd herumtreiben soll. Er lenkte sein Fahrrad in diese Richtung.
    Als er den Steinbruch erreichte, waren die Pastelltöne im Westen verblichen. Der Himmel wurde grau. In düster drohender Stille lag der Steinbruch vor ihm:

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