Wenn Tote schwarze Füße tragen
sich vorstellen,
daß Sie ein Konto eröffnen und sogleich fünfzig Millionen, praktisch
druckfrisch, in bar einzahlen? Also, er kann sie nicht auf die Bank bringen,
braucht aber nichtsdestoweniger eine Bank, um seinen Klotz loszuwerden. Oder
einen Bankier. Oder einen Kassierer. Einen, der heimlich, still und leise den
Umtausch in mehr oder weniger kleinen Raten vornimmt. Einen Komplizen eben!
Einen freiwilligen oder unfreiwilligen Komplizen. Einen, auf den er Druck
ausüben kann, zum Beispiel mit speziellen Fotos von ebenso speziellen
Rendezvous, die er — warum nicht? — eigens zu dem Zweck arrangiert, um den
Betreffenden zu kompromittieren. Was halten Sie von meiner Theorie? Finden Sie
immer noch, daß ich übermüdet bin?“
„Niemand hat behauptet, daß Sie
übermüdet sind.“
„Doch, ich. Und im Vertrauen gesagt:
Ich bin’s tatsächlich. Deswegen werde ich jetzt Schlafengehen. Morgen statte
ich der Banque Bonfils einen Besuch ab.“
„Morgen, das heißt also heute. Heute
ist Samstag, und samstags hat die Bank geschlossen.“
„Dann warten wir eben bis Montag.
Falls es sich bis dahin nicht erledigt hat! In der Zwischenzeit wird uns
nämlich Hélène mit Neuigkeiten überraschen. Bis dann, Za!“
Nestor Burmas Spielplätze
Am nächsten Morgen werde ich durch
einen Anruf von Jean Dorville geweckt. Er ist ganz kleinlaut, nach seiner Stimme
zu urteilen.
„Ich möchte mich für heute nacht
entschuldigen“, sagt er. „Meine Nerven sind wohl mit mir durchgegangen. Zu den
Flics zu gehen, führt wirklich zu nichts. Sie brauchen sich darüber keine
Sorgen mehr zu machen. Entschuldigen Sie.“
„Schon geschehen. Sie sind so etwas
eben nicht gewohnt. Im Gegensatz zu mir. Sie sind in die Sache eher rein
zufällig hineingeschliddert. Bei mir ist es so etwas wie eine Berufung. Ich
habe den spanischen Bürgerkrieg mitgemacht, auf der Seite von Durruti, und
Trotzki und ich hatten einen gemeinsamen Freund, den die sowjetische
Geheimpolizei in Stücke gehackt hat.“
„Äh... ja... äh...“
Dieser Ausflug in die Geschichte
bringt ihn ganz durcheinander. Ich spüre, daß er etwas sagen will, aber keine
Worte findet. Schließlich stammelt er noch zwei oder drei Doppel-“Äh“s,
entschuldigt sich noch einmal und legt auf.
Da es in dieser Stadt offensichtlich
nicht möglich ist, sich ordentlich auszuschlafen, lasse ich mir ein Frühstück
bringen, zusammen mit einer Kopfschmerztablette und der Zeitung.
Armer Delmas! Über Dacosta durfte er
noch weniger schreiben als über Christine Crouzait.
Eine Wahnsinnstat
....Monsieur Dacosta, ein
Repatriierter, hat in einem Anfall von Wahnsinn seine Tochter umgebracht und
sich dann selbst gerichtet, nachdem er den Rest seines Bargeldes verbrannt
hatte.
Das liest sich wie eine humoristische
Glosse unter dem Motto „Die Urlaubssaison beginnt“. Während ich den
Journalisten noch herzlich bedaure, ruft er mich an, um mich nach meiner
persönlichen Meinung zu dem Drama zu befragen. Ich erzähle ihm irgendeinen
Blödsinn, um ihn hinzuhalten. Ein wenig schäme ich mich deswegen. Es wird
höchste Zeit, daß Hélène ein Lebenszeichen von sich gibt. Ich warte darauf,
meine Pfeife im Mund, ausgestreckt auf dem Bett liegend und die Gelegenheit
nutzend, zwei oder drei Gedanken zu verfolgen, die in meinem Kopf
herumgeistern.
Nach einer Stunde Gedankenarbeit nehme
ich den „Bonaparte“ in die Hand, den ich bei Mortaut gefunden habe und der
nicht identisch ist mit dem, den man Dacosta zugeschickt hat. Dann sage ich
mir, da Hélène nicht auftaucht und ich sonst nichts zu tun habe, könnte ich
noch einmal mein Glück in Saint-Jean-de-Jacou versuchen, dem Ort, in dem der
Brief mit dem Geldschein aufgegeben wurde und wo eine Gemischtwarenhändlerin,
Mutter Lamalou oder Morfalou, dem Vernehmen nach diese Sorte Briefumschläge,
Marke Fix, verkauft. Wenn mein Ausflug nichts nützen sollte, so schadet
er doch auch nicht.
In Celleneuve lege ich eine Pause ein,
um eine Kleinigkeit zu mir zu nehmen. Um drei Uhr komme ich in
Saint-Jean-de-Jacou an. Ich erkundige mich nach Mutter Lamalou — sie heißt
Ténalous, mit mindestens drei S — und stehe kurz darauf in ihrem düsteren
Laden. Briefumschläge wie den da? Ja, die müsse sie irgendwo in einer Schachtel
haben, ganz oben im Regal. So was sei kein gängiger Artikel bei ihr...
„Warten Sie, ich rufe meinen Sohn. In
meinem Alter, wissen Sie... und dann dieser wacklige Hocker...“
Sie ruft ihren Sohn, der auf
Weitere Kostenlose Bücher