Wenn Tote schwarze Füße tragen
Dabei fällt ein rosa Kärtchen auf den Teppich. Er hebt es etwas
verlegen auf und wirft es in den Aschenbecher.
„Ich war im Kino, als Dacosta... als
man ihn umgebracht hat“, murmelt er tonlos. „Fast schäme ich mich deswegen...“
„Wieso? Wenn Sie geschlafen oder
Karten gespielt hätten, würde das etwas ändern? Kommen Sie, auf in die Villa
Ly dial“
Dorville fragt mich nicht, was es mit
dieser Villa Lydia auf sich hat und was wir dort wollen. Er fragt mich
überhaupt nichts, während wir im Auto sitzen. Vermutlich versucht er, Ordnung
in seine Gedanken zu bringen. Es scheint ihm sichtlich Mühe zu bereiten.
In der Villa Lydia treffen wir
Zavatter und die Blondine in ausgehbereiter Toilette an. Sie sehen aus, als
wollten sie ein freudiges Ereignis feiern gehen.
„Und Mortaut?“ erkundige ich mich.
„Ist nicht hier gewesen“, antwortet
mein Mitarbeiter. „Hat er Sie abgehängt?“
„Nein, ich habe ihn gehen lassen,
nachdem wir die erste Leiche gesehen haben. Eigentlich sollte er hierher
zurückfahren.“
„Nun, hier ist er nicht aufgetaucht“,
erwidert Zavatter in ruhigem Ton. „Vielleicht verliert er beim Anblick von
Leichen die Orientierung. Apropos, um welche Leichen handelt es sich?“
„Um Dacosta und seine Tochter.“
„Nicht schlecht für den Anfang in
Ihrer Geburtsstadt, Chef! Der Stadtrat wird Sie sicherlich bitten, eine Weile
hierzubleiben, um das Wohnungsproblem zu lösen und die medizinische Fakultät
mit erstklassigem, frischem Material zu versorgen. Was halten denn die Flics
davon?“
„Faroux hat Ihnen von meinem Talent,
Leichen aufzuspüren, erzählt. Um aber wieder auf Mortaut zurückzukommen...
Anscheinend hat er sich aus dem Staub gemacht, oder er heckt irgendeine
Schweinerei aus. Ach, was soll’s, mir kann’s egal sein! Morgen wird uns Hélène
den Schlüssel zu dem ganzen Durcheinander bringen. Und wenn noch einiges im
unklaren bleiben sollte, so ist das das Los aller unklaren Fälle. Aber davon
abgesehen... Sie wollten ausgehen?“
„Allerdings“, seufzt Raymonde. „Und
nach dem, was Sie uns soeben erzählt haben, hab ich noch viel größere Lust
dazu. Am liebsten würde ich mich auch aus dem Staub machen!“
„Aber, aber, mein Schatz, warum denn
die Flügel hängen lassen?“ sagt Zavatter und tätschelt ihren Arm. „Wir gehen
ins Restaurant, ins Kino, in einen Nachtclub, ganz wie du willst, und dann
kommen wir hierher zurück, und ich enthülle dir die Geheimnisse von
Tausendundeiner Nacht.“
„Die zwei langweilen sich bestimmt
nicht“, stellt Dorville neidisch fest, als wir wieder in meinen Leihwagen
steigen.
Er würde viel dafür geben, mit ihnen
zu tauschen. Und da ist er nicht der einzige.
* * *
Chambord führt uns in die
Reparaturwerkstatt, in die mich meine Kidnapper gestern gebracht haben. Dort,
geschützt vor neugierigen Blicken, holt André eine Keksdose aus einem Versteck
und hebt den Deckel hoch.
In der Dose liegt ein dickes Bündel
nagelneuer Banknoten mit dem Konterfei Bonapartes, alle Anfang Juni 1962
gedruckt. Der Gesamtwert beläuft sich auf vier oder fünf Millionen alte Francs.
„Das habe ich in Dacostas Kamin
gefunden“, erklärt André. „Ich weiß nicht warum, aber bevor wir die Gendarmen
alarmiert haben, habe ich die Banknoten an mich genommen. Vielleicht hat mich
das viele Geld stutzig gemacht. Dacosta soll angeblich völlig blank gewesen
sein, und dabei verfügte er über all das Geld. Wissen Sie, man möchte glauben,
daß er sich eben wegen dieses seltsamen Schatzes umgebracht hat, daß die Scheine
ihn zu sehr belastet haben... Der Hauptmann meint, das sei ein Teil des
Judaslohnes. Und Sie?“
„Ich bin derselben Meinung. Das ist
das Geld, das der Verräter erhalten hat. Aber man hat es sozusagen geopfert,
als man es Dacosta in den Kamin legte, nur um ihn als den Schuldigen erscheinen
zu lassen. Denn, Monsieur Chambord, Sie haben heute den Überblick verloren
angesichts der scheinbar eindeutigen Tatsachen. Man hat Sie damals in der Villa
Djemila nicht ,geimpft’, wie Sie es ausdrücken. Dacosta war unschuldig...“ Und
ich lege ihnen meine Theorie dar.
„Was machen wir denn nun mit dem
Geld?“ fragt André. „Behalten, was sonst?“ faucht Dorville.
„Ja, behalten Sie es nur ruhig“, sage
ich. „Greifen Sie damit mittellosen Landsleuten unter die Arme. Aber bringen
Sie es nicht schon jetzt in Umlauf. Warten Sie, bis sich der Fall aufgeklärt
hat. Es kann nicht mehr sehr lange dauern. Morgen,
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