Wenn Werwolf-Pranken streicheln
Der Kristallaschenbecher, so groß wie eine Zigarrenkiste, quoll fast über.
Gern hätte ich noch mit dem Kindermädchen Brenda gesprochen. Nicht nur über die Entführung, sondern auch über Gwen selbst. Möglicherweise hatte das Kind zu ihr größeres Vertrauen als zu seinen Eltern und hatte ihr etwas über die Werwölfe mitgeteilt. Detering winkte seinen beiden Beamten zu, die schon in den schmucklosen Dienstwagen stiegen.
Zum Abschied sagte Cole Harper: »Das Tor meines Grundstücks wird übrigens für Sie verschlossen bleiben.«
»Ich habe verstanden.«
Detering war noch nicht eingestiegen. Er stand neben seinem Wagen und wartete auf mich.
»Was werden Sie machen, Commissioner?«
Er hob die Schultern. »Ohne das Einverständnis der Eltern sind uns die Hände gebunden.«
»Und inoffiziell?«
»Wir hören uns natürlich in der Szene um. So ein Kidnapping spricht sich rasch herum. Außerdem wird das Verbrechen morgen früh in jeder Zeitung der Aufhänger sein.«
»Das glaube ich auch.«
»Ihnen ging es nur um dieses Interview?«
»Ja.«
Detering schüttelte den Kopf. »Ganz im Ernst, Sinclair, glauben Sie daran?«
»Ich bin mir nicht sicher. Ich habe das Gespräch selbst gehört. Die Stimme des Mädchens klang sehr sicher.«
Der Commissioner schaute mich sehr nachdenklich an. »Ich weiß ja, welch einen Job Sie haben. Ich kenne auch Ihre Erfolge, aber diese Sache, die Sie jetzt in Angriff nehmen, erscheint mir doch ein wenig weit hergeholt. Das ist meine Ansicht.«
»Mit der stehen Sie nicht allein da, Commissioner.«
Im Einsteigen bat er mich, ihn zu informieren, falls er sich geirrt haben sollte.
»Das werde ich gern tun.«
Er fuhr zuerst ab. Ich hängte mich an die Stoßstange seines Dienstwagens und warf noch einen Blick in den verwilderten Teil des Parks. Den Pavillon konnte ich nicht sehen, aber es mußte ihn geben, Gwen hatte davon gesprochen.
Hinter uns schlossen sich die beiden Flügel des Tores automatisch. Die Familie Harper dokumentierte damit, daß sie mit uns nichts mehr zu tun haben wollte.
Ich war sicher, daß der Mann sich irrte.
Suko wartete noch im Büro. Glenda war ebenfalls länger geblieben. Die beiden empfingen mich mit gespannten Gesichtern.
»Hast du Erfolg gehabt?« fragte Suko.
»Kaum.«
»Erzähle mal.«
»Nur wenn ich einen Kaffee bekomme.«
Glenda schenkte mir eine Tasse ein. Bevor ich berichten konnte, traf unser Chef, Sir James, ein. Er hörte mir aufmerksam zu und nickte einige Male.
»Ja, so habe ich Cole Harper auch eingeschätzt. Er ist knallhart. Keine Polizei.«
»Das könnte sehr dumm sein.«
»Da gebe ich Ihnen recht, John, aber wir müssen seinen Wunsch respektieren. Aber wie stehen Sie persönlich zu dem Interview des neunjährigen Mädchens?«
Ich trank den letzten Schluck und schaute ins Leere. »Wenn ich das wüßte, Sir.«
»Also nicht positiv.«
Ich wiegte den Kopf. »Das kann ich nicht genau sagen. Ganz will ich nicht von der Spur lassen.«
»Wie sieht Ihr Plan aus?«
»Ich warte zunächst einmal ab«, erklärte ich ihm. »Morgen sehen wir dann weiter.«
Der Mund meines Chefs zuckte. Er wußte, daß ich ihm in diesem Augenblick eine Notlüge aufgetischt hatte, aber er sagte nichts dazu, sondern verließ das Büro und wünschte einen angenehmen Abend.
»Dann wollen wir mal«, sagte Suko. »Nimmst du mich mit, John?«
»Klar.«
Glenda wollte noch einkaufen. Nachdenklich verließen wir das Yard Building. Auch auf der Fahrt sprachen Suko und ich nicht viel. Das Radio lief. In den Nachrichten berichteten sie natürlich über die Entführung. Sie war schließlich spektakulär genug gewesen.
»Wie ich dich kenne, hast du dich damit noch nicht abgefunden, John.«
»Das habe ich auch nicht.«
»Was willst du tun?«
Ich hielt vor einer Ampel. »Wenn ich das wüßte, Suko«, erwiderte ich und dachte dabei an die kommende Nacht, die anders verlaufen würde, als ich sie mir noch vor einigen Stunden vorgestellt hatte…
***
Nur allmählich ebbte der Schock ab, den Brenda Rattigan erlitten hatte. Der Nachmittag und auch der Abend waren ihr vorgekommen wie ein böser Film. Sie hatte stets das Gefühl gehabt, neben sich herzugehen und die Umgebung nicht so wahrzunehmen, wie sie eigentlich war. Traf sie wirklich die Schuld an der Entführung?
Darüber zerbrach sie sich den Kopf, und sie hatte nur in das Gesicht des Vaters zu schauen brauchen, um zu wissen, wie er dachte. Ja, er schob ihr die Verantwortung zu.
Das nagte an ihr. Es fraß, es
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