Wenn wir uns wiedersehen: Thriller (German Edition)
ganzes Leben in Greenwich verbracht«, antwortete er zögernd. »Meine Mutter ist sechsundsiebzig. Sie erzählt immer
noch davon, wie meine Schwester vor vierzig Jahren Lungenentzündung hatte. Damals war sie drei Monate alt, und die Ärzte kamen noch ins Haus. So was nannte man Hausbesuch. Niemand verlangte von einem, kranke Kinder ins Auto zu packen und mit ihnen in die Notaufnahme zu fahren.«
Er faltete die Hände auf dem Schreibtisch. »Wir wohnten oben auf einem ziemlich steilen Hügel. Dr. Lasch, Jonathan Lasch, Garys Vater, ist mit dem Auto liegengeblieben. Die Räder drehten einfach durch. Also stieg er aus und kämpfte sich durch den knietiefen Schnee bis zu unserem Haus. Das war um elf Uhr nachts. Ich weiß noch, wie er sich über meine Schwester beugte. Er hatte eine starke Lampe auf sie gerichtet und sie auf den Küchentisch gelegt. Drei Stunden lang blieb er bei ihr. Er verabreichte ihr zwei Penicillinspritzen und wartete, bis sie wieder richtig atmen konnte und das Fieber gesunken war, bevor er sich wieder auf den Heimweg machte. Am nächsten Morgen kam er zurück, um nach ihr zu sehen.«
»War Gary Lasch auch so ein Arzt?« fragte Fran.
Hutnik überlegte. »Es gibt in Greenwich noch immer jede Menge engagierter Ärzte – und vermutlich auch anderswo«, erwiderte er. »Ob Gary Lasch zu ihnen gehörte? Offen gestanden kann ich das nicht beantworten, Fran. Aber soweit ich im Bilde bin, interessierten er und sein Partner Dr. Peter Black sich eher für die geschäftliche Seite der Medizin als für die Krankenpflege.«
»Anscheinend sind sie damit sehr erfolgreich. Die Lasch-Klinik ist heute doppelt so groß wie bei meinem letzten Besuch«, meinte Fran. Sie hoffte, daß man ihr ihre Nervosität nicht anmerkte.
»Als Ihr Vater dort gestorben ist«, stellte Hutnik fest. »Hören Sie, Fran, ich bin schon lange in diesem Geschäft und kannte Ihren Vater. Er war ein sympathischer Mann. Ich brauche nicht hinzuzufügen, daß ich wie viele meiner
Mitbürger nicht begeistert war, als die Spendengelder verschwanden. Mit dem Geld sollte in einem der weniger wohlhabenden Stadtviertel eine Bibliothek gebaut werden, damit die Kinder dort sie zu Fuß erreichen konnten.«
Verlegen wandte Fran den Blick ab.
»Tut mir leid«, sagte Hutnik. »Ich hätte es nicht erwähnen sollen. Bleiben wir beim Thema. Nach dem Tod seines Vaters hat sich Gary mit einem alten Kommilitonen zusammengetan, Dr. Peter Black aus Chicago. Die beiden haben aus Jonathan Laschs Krankenhaus die Lasch-Klinik gemacht und den Remington-Gesundheitsdienst gegründet, der zu den erfolgreichsten in dieser Branche gehört.«
»Was halten Sie eigentlich im allgemeinen von diesen Gesundheitsdiensten?« wollte Fran wissen.
»Dasselbe wie die meisten Leute. Ich finde sie zum Kotzen. Selbst die besten – und Remington ist meiner Ansicht nach einer davon – setzen die Ärzte mächtig unter Druck. Die meisten Ärzte müssen sich einem oder sogar mehreren dieser Gesundheitsdienste anschließen. Und das bedeutet, daß ihre Diagnosen von Bürokraten überprüft werden. Wenn ein Arzt nun denkt, daß ein Patient einen Spezialisten aufsuchen sollte, kann der Gesundheitsdienst das ablehnen. Außerdem müssen die Ärzte meistens ewig auf ihr Geld warten, häufig sogar so lange, daß sie in finanzielle Schwierigkeiten geraten. Patienten werden an weit entfernte Praxen verwiesen, nur damit sie nicht zu häufig wiederkommen. Und obwohl wir heutzutage über Medikamente verfügen, die Kranken das Leben erleichtern, wird die Entscheidung über deren Verschreibung von Menschen gefällt, die Geld verdienen, wenn die die Behandlung nicht genehmigen. Toller Fortschritt, meinen Sie nicht?«
Entrüstet schüttelte Joe den Kopf. »Zur Zeit verhandelt der Remington-Gesundheitdienst – das heißt Peter Black,
der Geschäftsführer, und der Direktoriumsvorsitzende Cal Whitehall, gleichzeitig größter Geschäftsmann am Ort – mit dem Staat wegen der Genehmigung, vier kleinere Gesundheitsdienste zu schlucken. Wenn das passiert, schnellen die Aktien der Firma in schwindelerregende Höhen. Und wo liegt das Problem? Eigentlich gibt es keines. Nur, daß American National Insurance die kleinen Gesundheitsdienste ebenfalls haben will. Man munkelt, es sei auch eine feindliche Übernahme von Remington geplant.«
»Ist das wahrscheinlich?«
»Wer weiß? Vermutlich nicht. Der Remington-Gesundheitsdienst und die Lasch-Klinik genießen einen guten Ruf. Sie haben sich von dem Skandal
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