Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
Tochter dachte, schien ihr das Herz zu brechen.
»Man ist ganz schön einsam, wenn man seine Familie verliert, nicht wahr?« Jake legte seine Hand auf ihre und drückte sie.
Ihr geschminkter Mund verzog sich zu einem kleinen Lächeln. »Du bist eigentlich viel zu klug für einen so jungen Mann!« Der Barkeeper füllte ihr Glas erneut, und sie wollte es gerade an die Lippen setzen, als sie etwas im Spiegel bemerkte. »Scheint so, als würde die alte Freundschaft doch weiterbestehen«, meinte sie, dann trank sie einen Schluck.
Jake wandte sich um und sah, wie Raif quer durch den Raum auf Sean zuging. Galloway blickte nicht auf, setzte die Flasche ein weiteres Mal an den Mund. Er ignorierte Raif, ignorierte die ganze Welt. Dann sagte der blonde Mann etwas, und Seans Kopf fuhr hoch, seine Augen wurden schmal, während er zuhörte. Doch in diesem Augenblick betrat Becket den Saloon, und Victoria richtete ihre ganze Aufmerksamkeit auf ihn. Ein paar Männer wandten sich um, um ihn zu begrüßen, und Victoria biss die Zähne zusammen, als er einigen Gästen die Hand gab und sie mit seinem strahlenden Lächeln bedachte. Unauffällig überprüfte er dann im Spiegel seine Erscheinung. Wie eitel! Aber Schwarz steht ihm, dachte sie verdrießlich, während sie seinen dunklen Anzug betrachtete, die rote Brokatweste unter der Jacke. Perfekt. Sauber. Aber du kannst dich schrubben, so viel du willst, das Blut bleibt trotzdem an deinen Händen kleben!
Sie sah erneut zu Galloway hin, als dieser plötzlich aufsprang und Raif die Faust mitten ins Gesicht schlug, mit einer solchen Wucht, dass dieser wie ein gefällter Baum zu Boden ging. Sämtliche Gespräche verstummten, aller Augen richteten sich auf Sean. Der warf eine Münze auf den Tisch, dann stieg er über Raif hinweg und verließ schwankend den Saloon. Raif bewegte sich stöhnend, rollte sich auf die Seite, bevor er sich auf die Knie hochzog. Er spuckte Blut aus, tastete mit der Zunge seinen Mund ab und schob die helfenden Hände beiseite, als er sich schließlich aufrichtete. Angespannt beobachtete Victoria, wie Becket zu ihm trat und ihm eine Hand auf die Schulter legte. Raif nickte, dann verschwand auch er. Victoria schätzte, dass er es höchstens bis auf die Veranda schaffen würde, bevor er wieder umkippen und ohnmächtig werden würde.
Becket schüttelte den Kopf und gab dem Pianisten ein Zeichen, weiterzuspielen, und augenblicklich erreichte der Geräuschpegel wieder den gewohnten Stand. Victoria trank einen Schluck aus ihrem Glas. Sie spürte, dass Becket sich ihr und Vel näherte.
»Alles in Ordnung, Miss Velvet?«, erkundigte er sich, dann nahm er Vels Hand und führte sie zum Handkuss an seine Lippen. Vel lächelte ihn an, und Victoria wurde übel. Erkannte Vel denn nicht das Raubtier hinter der Maske?
»Einen Moment lag fürchtete ich schon, dass es ordentlich Krawall geben würde.«
Als ob sie gar nicht da wäre, blickte Becket an Victoria vorbei zur Tür. »Es ist wirklich eine Tragödie«, murmelte er. »Eine Schande, dass sie einander nicht beistehen können.« Er seufzte, dann lächelte er Vel an. »Wie geht es Dee?«
»Sie fühlt sich schon besser, ist aber immer noch etwas erschöpft.«
»Sie hat morgen einen Termin bei Dr. MacLaren. Kann ich mich darauf verlassen, dass sie ihn wahrnimmt?«
»Natürlich.«
»Ich wusste ja, dass ich mich auf Sie verlassen kann!« Er kniff sie in die Wange und bestellte ein weiteres Glas Sekt für sie. »Sie geben mir auch über das Ergebnis Bescheid, nicht wahr? Und noch was, Vel...« Er wartete, bis sie ihn anschaute. »Denken Sie über mein Angebot nach, ja?«
»Das werde ich tun, Algenon, ganz bestimmt.«
Damit ging er, und Victoria atmete endlich aus, froh, dass er weg war. »Was für ein Angebot?«, fragte sie neugierig.
Vel lehnte sich ganz nahe zu ihr und wisperte: »Er möchte mir den Saloon verkaufen. Können Sie sich vorstellen, dass ich die Eigentümerin eines solchen Lokals wäre?«
»Das wäre doch fantastisch.« Welchen Grund hatte er für diese Großzügigkeit? Vel passte nicht ins Schema seiner Opfer, also konnte sie ausschließen, dass er sich damit bei ihr einschmeicheln wollte. Außerdem sahen sie sich jeden Tag, das raubte ihm das Vergnügen, seine Beute auszusuchen und allmählich einzukreisen. Oder wollte er ihr gerade deshalb die Verantwortung übergeben - damit er in aller Ruhe nach einer neuen Beute suchen konnte? Victoria blieb noch so lange, bis er sich von seinen Gästen verabschiedete
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