Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
die Entfernung konnte sie erkennen, wie muskulös sein Körper war. Er machte den Eindruck, als wäre er vollkommen am Boden zerstört. Plagte ihn Kummer oder das schlechte Gewissen? Eins jedoch war sicher: Christopher Swift war sein Freund, und Chris wollte nicht, dass Seans Ehre durch irgendwelche Mutmaßungen in den Schmutz gezogen wurde.
Wie er auch ihre Hilfe nicht wollte.
Victoria trank einen Schluck Bier und seufzte leise, als sie bemerkte, dass Velvet auf sie zusteuerte.
Vel lächelte. Ihr Blick glitt bewundernd über Jakes Körper. »Einsam, Honey?«
»Ein bisschen. Aber ich habe ein Mädchen zu Hause in Denver, Miss Knight.« Das sollte reichen, dachte Victoria.
Vel nickte enttäuscht. »Ich verstehe.« Sie seufzte. »Die Glückliche.«
»Sollte ich nicht beleidigt sein, weil Sie so schnell aufgeben?«
»Es ist nicht mein Stil, einen Mann dazu zu bringen, seine Liebste zu betrügen.«
Jake zog eine Augenbraue hoch.
»Auch eine Hure hat ihre Grundsätze, Schätzchen.«
Jake lächelte sie an und schob die Brille höher auf die Nase. »Ist das Sean Galloway?«, wollte er dann wissen und deutete mit dem Kopf in die Ecke.
Sie machte ein trauriges Gesicht. »Ich fürchte, er versucht, sich zu Tode zu trinken.«
»Da ist er wohl nicht der Einzige.« Jake schaute zu einem Mann mit hellblonden Haaren hin, der in sich zusammengesunken auf der anderen Seite des Raums saß, den Kopf gesenkt, sein Glas zwischen den Händen. Genau wie Sean. Er blickte auf, sah hinüber zu dem Rancher, dann konzentrierte er sich wieder auf sein Glas.
Vel blickte stirnrunzelnd zwischen den B eid en Männern hin und her. »Das ist aber komisch.«
»Was?«
»Sean und Raif sind gute Freunde.« Zumindest waren sie es einmal, dachte Vel. »Ich hätte gedacht, dass sie ihren Kummer gemeinsam hinunterspülen würden.«
»Und warum tun sie es wohl nicht?«
Vel zuckte mit den Schultern, zwinkerte einem potenziellen Kunden zu. »Vielleicht, weil Raif selbst zu bekümmert ist, um ihn zu trösten.«
»Hatte er eine Schwäche für Kelly?«
Vel runzelte die Stirn, wirkte plötzlich älter, härter. »Nicht so, wie du meinst.« Jakes Gesicht blieb ausdruckslos, erwartete darauf, dass sie weiterredete. »Raif hatte sie erst vor kurzem kennen gelernt, einen oder zwei Monate, bevor sie starb. Die B eid en Männer hatten damals die Mine zusammen betrieben. Sean war der Besitzer, doch er gab Raif dafür, dass er ihm half, die Hälfte des Ertrags. Bis er sie versiegelte. Raif ging für ein paar Jahre fort von hier. In der Zwischenzeit baute Sean seine Ranch und heiratete Kelly.«
»Und Raif?«
Vel gab dem Barkeeper ein Zeichen. Er schenkte ein Glas Sekt für sie ein und brachte es ihr. »Er hatte nicht so viel Glück«, antwortete sie, nachdem sie einen Schluck getrunken hatte. »Sean dagegen hatte sich etwas Handfestes aufgebaut.« Sie betrachtete Sean in dem großen Spiegel. Seine Verzweiflung war fast greifbar. »Er wird sich nie mehr davon erholen. Kelly war sein Leben.«
»Kannten Sie sie?«
»Jeder kannte sie. Sie war eine hübsche Blondine, die traumhaft nähen konnte. Und sie war sehr nett, selbst zu mir.«
Jake legte eine Hand auf ihren Arm. »Nett zu Ihnen zu sein, dürfte wohl keinem schwer fallen, Vel.«
Velvet Knight, die begehrteste Hure weit und breit, errötete tatsächlich.
»Mich würde nur interessieren, was mit Ihrem Akzent passiert ist.«
Velvet schaute ihn verdutzt an, dann musste sie lachen. »Erwischt!«, meinte sie und trank ihr Glas leer. »Dir entgeht wohl nicht allzu viel, was, Honey?« Jake schüttelte den Kopf. »Ich war sogar einmal verheiratet.« Vel wusste selbst nicht, warum sie ausgerechnet Jake so viel erzählte, aber man schien so gut mit ihm reden zu können. Endlich einmal ein Mann, der zuhörte! »Aber er wurde in den Indianerkriegen getötet, und die Apachen brannten alles nieder, was wir besaßen. Ich musste also einen Weg finden, um meine Kleine durchzubringen.«
»Ihre Kleine?«, wiederholte Jake, aber er sagte es so leise, dass niemand mitanhören konnte, worüber sie redeten. Vel war gerührt von so viel Rücksichtnahme.
»Ich konnte sie nicht bei mir behalten, nicht bei dem Leben, das ich hier führe.« Sie machte eine Handbewegung, die den Saloon samt seinen Gästen zu umfassen schien. »Ich wollte nicht, dass sie miterleben muss, wie ihre Mutter sich um Männer kümmert, die nicht ihr Vater sind. Deshalb habe ich sie weggegeben...« Vel senkte den Kopf. Jedesmal, wenn sie an ihre
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