Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
mehr Kummer bereiten.
Er trat von der Veranda, ging auf Chris zu und sagte ein paar Worte zu ihm. Ein Stück vor Jake blieb er stehen und musterte sie von Kopf bis Fuß, als wäre sie ein Stück Vieh.
»Wo ist Ihr Hund?« Chris hatte erzählt, dass er einen gehabt hatte.
»Zusammen mit Kelly begraben.«
Es schmerzt ihn schon, ihren Namen auszusprechen, dachte sie, doch dann schob sie ihr Mitleid mit ihm beiseite. Sie hatte bereits nachgeprüft, wie weit die Toilette vom Haus entfernt war. Kelly hätte hin und zurück nicht länger als drei Minuten gebraucht, eine Tatsache, die sie stutzig gemacht hatte. »Würden Sie mich korrigieren, wenn Ihnen etwas nicht richtig erscheint?«
Sean schob das Gewehr über die Schulter und stützte die andere Hand in die Hüfte. Victoria war sicher, dass sie seine ganze Aufmerksamkeit hatte.
»Kelly stand auf, weil sie zur Toilette musste, und ließ den Hund hinaus. Aber als das Tier - «
»Atticus«, warf er ein.
»Doch Atticus reagierte nicht, als sie ihn rief, und deshalb wollte sie ihn suchen.« Sie zuckte mit den Schultern. »Das alles ist nicht ungewöhnlich. Dies war ihr Zuhause, wovor also sollte sie sich fürchten?« Sie blickte zur Scheune hinüber, dann sah sie Sean wieder an. » Marshal Swift erzählte, Sie hätten ein Heulen gehört.«
Sean nickte. Sein Blick ging ihr durch und durch.
»Könnte das statt einem Wolf auch Ihr Hund gewesen sein?«
Sean zog eine Augenbraue hoch und betrachtete sie noch etwas genauer. Victoria begann, unter ihrer Maske zu schwitzen. Seine grünen Augen waren blutunterlaufen, und seine Wangen hatten seit Tagen keine Rasur mehr gesehen, aber dennoch hatte er eine zwingende Ausstrahlung.
»Das wäre möglich«, meinte er schließlich. »Ich kam gerade in dem Augenblick heraus, als die Herde durchging. Es hörte sich an wie Donner. Ich hatte keine Ahnung, was passiert war, bis ich -« Er atmete einmal tief durch und wandte für einen Moment den Blick ab. »Atticus lag neben Kelly, als ich sie fand.« In seinem Blick lag ein harter Ausdruck. Entweder bringt diese Härte ihn um, dachte Victoria, oder sie hilft ihm zu überleben.
»Ich glaube, sie hat das Heulen auch gehört und wollte nachschauen, was es war, sicher, dass Sie ihr folgen würden. Aber sie war nicht allein.« Sie deutete auf die Fußabdrücke neben dem Gatter und neben dem Tor der Scheune. »Die hier sind vorne ziemlich breit.« Sie zeigte auf den Boden neben der Einzäunung. »Und das hier sind ihre Spuren, nicht viele, aber genug, um erkennen zu lassen, dass sie neben dem Zaun ging, bevor sie zu sehen war.« Sie zeigte auf die Stelle, an der Sean ihre Leiche gefunden hatte. »Von Atticus habe ich nur einen Abdruck gefunden, dort drüben beim Gatter.« Sie schaute auf und bemerkte, wie Sean und Chris den Boden mit ihren Blicken absuchten. »Ihre Stiefel laufen spitz zu, genau wie die des Marshals. Meine sind abgerundet.« Sie ging zur Scheune und kam mit dem Holzbrett zurück. »Atticus hat denjenigen entdeckt, der dort drüben stand, und damit -« sie hob das Brett, »wurde er erschlagen, damit er den Eindringling nicht durch sein Bellen verraten konnte. Das war das Heulen, das Sie gehört haben.«
»Woher wollen Sie das wissen?«, fuhr Chris sie an. Victoria runzelte die Stirn. Warum stellte er sich gegen sie?
»Hatte er ein weiß-braunes, langes Fell?«, fragte sie Sean.
»Ein Collie.« Ein Hauch Bewunderung schwang in seiner Stimme mit.
»Hier im Holz kann man Blut und einige Haare erkennen«, erklärte sie und warf Chris das schmale Brett zu. »Sämtliche anderen Bretter gingen bei der Stampede zu Bruch. Es ist allerdings auch nicht das gleiche Holz, wahrscheinlich hat er es irgendwo aufgehoben, als er merkte, dass der Hund frei herumlief.
Als sie nach Atticus suchte, muss Kelly bemerkt haben, dass das Gatter geöffnet worden war. Sie ertappte jemanden dabei, wie er das Vieh lostrieb, und das muss sie dermaßen schockiert haben, dass sie sich nicht mehr rühren konnte. Und als sie ihre Fassung zurückgewonnen hatte, schwang das Gatter schon weit auf, und die Tiere hatte sich in Bewegung gesetzt. Ich glaube, dass sie zwischen dem Gatter und dem Zaun gefangen war und den Eindringling rief. Daraufhin müssen Sie aus dem Haus gekommen sein. Als der Verbrecher begriff, dass sie genau im Weg der Herde stand, hat er noch versucht, zu ihr zu gelangen. Aber inzwischen waren die Tiere außer Kontrolle geraten. Es war hoffnungslos.«
Sean fuhr sich mit einer Hand durch
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