Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
brauchte - die Zurückgezogenheit in seinem Haus und Abigales gutes Essen.
Er stand auf, nahm seinen Hut vom Haken und ging zur Tür.
Das Wasser lief ihm im Mund zusammen, als er an den leckeren Apfelauflauf dachte, den Abigale jeden Donnerstagabend zubereitete. In diesem Augenblick wurde leise an die Tür geklopft. Chris öffnete und winkte Noble noch einmal zu.
Chris schluckte. Vor ihm stand Victoria. Beziehungsweise Clara. Die graue Maus. Bescheiden hielt sie den Kopf gesenkt.
Chris ballte die Hände zu Fäusten zusammen. Ihn juckte es in den Fingern, ihr die Maske herunterzureißen, etwas zu sagen. Dann schaute sie auf, und ihr Blick ging ihm durch und durch. Selbst dieses seltsame Glas konnte ihren Schmerz nicht verbergen, und seine Gewissensbisse brachten ihn fast um.
Stirnrunzelnd beobachtete Noble die B eid en. Registrierte, dass Chris kaum zurückwich und Clara sich an ihm vorbeischieben musste. Dass ihre Körper sich berührten.
Chris nickte Noble zu, der Clara mit einem merkwürdigen Lächeln betrachtete, dann ging er endgültig.
Victoria hob den Blick und erwiderte Nobles Lächeln mit dem gebotenen Maß an Schüchternheit. »Worin besteht meine Aufgabe, Mr Beecham?«, fragte sie.
»Bringen Sie alles hier auf Vordermann, so, dass es aussieht, als würden nicht nur Männer diese Räume benutzen«, erwiderte er. Sie nickte. »Und nennen Sie mich einfach Noble. Das >Mister< behagt mir nicht.« Dann nahm er wieder an seinem Schreibtisch Platz und widmete sich den Akten - Berichte an die Bezirksrichter, offizielle Fahndungsgesuche, seitenlange Schriftstücke der Anwälte, nachdem Chris die Minengesellschaft geschlossen hatte. Sie hatten allerdings eins übersehen - dass auch Chris ein vor Gericht zugelassener Anwalt war. Und ein verdammt einsamer dazu, fügte Noble in Gedanken hinzu, während Clara den Abfall einsammelte, die Zellen putzte und auch sonst alles in Ordnung brachte.
Schließlich schob sie ihre Brille ein Stück die Nase hinauf, und während sie sich umschaute, ob noch etwas unerledigt geblieben war, kratzte sie sich gedankenverloren an der Innenseite des Arms. Nobles Miene war plötzlich angespannt, dann unterzog er sie einer unauffälligen, aber genauen Musterung. Mit einer Beweglichkeit, die Clara erstaunte, stand er schließlich auf, ging zum Ofen und schenkte eine Tasse Kaffee ein. »Setzen Sie sich einen Moment«, forderte er sie auf, »Sie sehen aus, als könnten Sie eine Pause gebrauchen.«
Victoria seufzte, dankbar für den angebotenen Kaffee und die Möglichkeit, sich einen Moment hinzusetzen. »Danke, Noble«, sagte sie. »Ich bin tatsächlich ein bisschen ... müde.«
»Das kann ich mir denken.«
»Wieso?« Sie blies in die Tasse, bevor sie einen Schluck trank.
»Na ja, weils bestimmt nicht so einfach ist, alles auf einmal zu sein: Vic Mason, Jake Farrell, Clara Murphy...«
Victoria verschluckte sich an ihrem Kaffee. »Ich verstehe nicht...«, sagte sie indigniert.
Er beugte sich zu ihr vor, und als er lächelte, bemerkte sie, dass er einen Goldzahn hatte. Dann griff er nach ihrem Arm und betrachtete neugierig ihre Uhr. Schnell befreite sich Victoria aus seinem Griff.
Noble lehnte sich wieder zurück und sah sie nachdenklich an. »Ich habe keine Ahnung, wie Sie es machen, aber ich weiß, dass Sie es sind, Jake .«
»Ich verstehe immer noch nicht...«
Er lachte, ein tiefes, warmes Lachen. »Abgesehen von der Brille und dass Sie sich immer am Arm kratzen...«
Verdammt, dachte Victoria, warum muss er so aufmerksam sein?
»... haben auch Ihre Größe und Ihr Gang Sie verraten. Ich habe nicht umsonst drei Ehefrauen überlebt - ich erkenne eine Frau, auch wenn sie sich als Mann ausgibt, Liebes.«
»Drei Ehefrauen?«
Er schüttelte tadelnd den Kopf. »Sie werden schön hier sitzen bleiben und auch nicht versuchen, das Thema zu wechseln!«
Victoria konnte sich des Eindrucks nicht erwehren, dass ein Bär sie in der Falle hatte, dennoch hielt sie seinem Blick stand, ohne mit der Wimper zu zucken. Doch als er sie angrinste, gab sie mit einem Seufzer auf.
Es gab immer irgendeinen, dem sie nichts vormachen konnte, egal, wie sehr sie sich auch anstrengte. Sie hatte schlicht u nd einfach nicht mehr an die Arm banduhr und an die Brille gedacht.
»Er weiß es auch, nicht wahr?«, fragte er.
Victoria nickte und stellte ihre Tasse ab.
»Und es gefällt ihm nicht.«
»Richtig«, bestätigte Victoria. »Aber soll ich Ihnen was verraten: Es schert mich einen Dreck!«
Noble
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