Wenn Zaertlichkeit dein Herz beruehrt
würde! »Warum hast du eigentlich deine Verkleidung abgelegt?«
»Weil mir heiß wie die Hölle war.« Sie schwieg einen Moment. »Außerdem ist Jake Farrell heute gestorben.«
Verdutzt sah er sie an. Victoria lächelte ein wenig schief.
»Ich habe sein Gesicht zerrissen.«
Chris lachte leise und schüttelte den Kopf. Er spürte, wie die Spannung zwischen ihnen ein wenig nachließ. Sie kraulte Caesar hinter den Ohren, und der Hengst schnaubte leise.
»Verräter!«, murmelte Chris, und das Tier ließ den Kopf hängen.
»Es tut ihm Leid.« Victoria hatte noch nie ein Pferd schmollen sehen, aber sie hätte schwören können, dass Caesar genau dies im Moment tat. »Mir übrigens auch, Chris.« Ihre Blicke trafen sich. »Ich habe ihn quasi dazu überredet.«
»Das glaubst du auch nur. Wenn Caesar nicht will, lässt dieser verdammte Gaul niemanden auf seinen Rücken steigen.« Dies sagte er ganz nah am Ohr des Hengstes.
»Siehst du, alter Junge, es bringt nur Pech, in meiner Gesellschaft zu sein«, meinte sie, packte den Zaum und blickte dem Rappen in die dunklen Augen. »Jetzt kriegst du dafür einen auf den Deckel.« Dann gab sie dem Hengst einen Kuss auf die Nase.
»Hungrig?« Chris blickte in den Musselinbeutel.
»Verhungert!«, meinte sie, ohne zu ihm hinzuschauen.
Sie und der Hengst schienen in eine private Unterhaltung vertieft zu sein.
»Abigale hat uns etwas zu essen mitgegeben.«
»Wie nett von ihr.«
Chris unterdrückte ein Lächeln bei dem Ton, in dem sie diese Bemerkung machte. Er setzte sich und zog etwas aus dem Beutel. »Gestern Nacht hatte ich ein eiskaltes Bad im Fluss bitter nötig.« Als er aufschaute, sah er sie lächeln - ein Lächeln, das ihm durch und durch ging. Ihr Blick glitt an seinem Körper hinab - der prompt und heftig reagierte.
»Schadet dir nichts. Denn ich habe meinen kostbaren Job verloren.«
»Ich weiß. Tut mir Leid.«
»Das kommt ein bisschen spät, oder, Marshal ?«
Wieder schaute er sie an, sah all die Facetten, die er bisher entdeckt hatte. »Manchmal beschämst du mich, Victoria.«
»Erzähl das jemand anderem.«
»Wenn ich bei dir bin, dann bin ich die Hälfte der Zeit - «
»Überheblich? Empfindlich? Beleidigt?«
»Inkonsequent.«
Sie lächelte leicht. »Das soll ich glauben?« Ihre Stimme klang plötzlich rau. »Ein eiskaltes Bad im Fluss, ja?« Wenn das ihrem Ego nicht schmeichelte! »So schlimm war es?«
»Ist es immer noch«, murmelte er vor sich hin. »Abigale hatte sofort begriffen - und wollte unbedingt den Grund meines ... Unbehagens kennen lernen.«
»Deine Haushälterin?«
»Wenn sie nur das wäre!«, erwiderte er und freute sich über die Eifersucht in ihrem Blick. Sie war also doch nicht so gleichgültig, wie sie immer vorgab zu sein. Gut. »Ich glaube nicht, dass ich ohne sie leben könnte.« Er reichte ihr einen Teil des Hähnchens und ein Stück Kuchen. »Oder ohne ihre unglaublichen Kochkünste und ihr sonniges Lächeln. Und ohne ihre ständigen Ermahnungen, mich auch hinter den Ohren zu waschen. Damit macht sie mich seit dreißig Jahren verrückt.«
»Jungs wollen sich niemals dort waschen.« Sie packte ihn am Ohr und schaute lächelnd nach. Chris erwiderte ihr Lächeln - was eine verheerende Wirkung auf sie hatte.
»Außerdem will sie mich ständig verkuppeln.«
»Ach ja?« Sie verabscheute sich selbst dafür, dass sie so schnippisch klang.
Er biss in einen Hähnchenschenkel, spannte sie absichtlich auf die Folter. Er würde ihr alles erzählen, auch wenn sein Stolz darunter litt.
»Camille McCracken ist die Schwester eines Freundes. Wir trafen und verliebten uns.« Er sprach nicht sofort weiter. »Zumindest habe ich das geglaubt. Wir sollten nächsten Monat heiraten.«
Sie hielt den Atem an. Nächsten Monat? »Aber anscheinend werdet ihr es nicht tun, habe ich das richtig verstanden?«
Er aß noch einen Bissen. Es fiel ihm nicht leicht, dies zu erzählen. »Sie konnte es nicht ertragen, die Frau eines Indianers zu werden.«
Ihr Gesicht verdüsterte sich. »Dieses voreingenommene kleine Miststück!«
Er zog die Brauen hoch. »Victoria!«
»Aber das ist so hinterwäldlerisch.« Wie dieses ganze Jahrhundert. Und die Frauen im Laden. »Meine Güte, wie würden sie sich verhalten, wenn sie wüssten, was ich alles bin ... Moment mal...« Sie blickte nachdenklich hinauf zum dunklen Himmel. »Unter meinen Vorfahren sind Engländer, Costaricaner, Schotten, ach ja, Blackfeet sind auch dabei.«
»Blackfeet, hm. Das erklärt, warum
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