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Wenn Zauberhaende mich beruehren

Titel: Wenn Zauberhaende mich beruehren Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jude Deveraux
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und mit einem stummen Dankgebet trat Kady ein. Verglichen mit der Kälte draußen war das Schulhaus ein warmes Paradies. Im kleinen Vorraum fand sie ein paar vergessene Jacken und etwas, was wie eine Pferdedecke roch. Sie legte sie auf den Boden, deckte sich zu und schlief ein.
    Als sie am nächsten Morgen erwachte, schien bereits die Sonne durch die Fenster, und sie brauchte gewisse Zeit, um sich daran zu erinnern, wo sie war. Als es ihr einfiel, wehrte sie sich energisch gegen jeden Anfall von Selbstmitleid. Selbstmitleid sei ein tiefer, grundloser Brunnen, hatte ihre Mutter immer zu ihr gesagt. Wenn man sich einmal hineinfallen läßt, fällt man für immer.
    Offenbar war es Sonntag, denn sie hörte keine Kinderstimmen. Sie suchte eine Weile im Schulhaus vergeblich nach irgend etwas, was sie anziehen konnte. Vielleicht war ihr auffälliges Kleid der Grund dafür, daß sie keinen Job bekam.
    Als sie die Schule wieder verlassen wollte, entdeckte sie einen Wandspiegel. Fast hätte sie bei ihrem Anblick laut aufgeschrien. Das war die Frau, von der der Minendirektor behauptet hatte, sie würde Tumulte unter seinen Männern auslösen? Ihre Haare hingen ihr in unordentlichen Strähnen auf die Schultern, ein Schmutzstreifen zog sich über ihre Wange. »Ich frage mich, wie lange ich den schon habe«, sagte sie laut und rieb ihn fort.
    Ihr Kleid ähnelte nicht einmal mehr ansatzweise der hinreißenden Robe, die sie mit ehrfürchtigen Händen aus der Metallkiste gehoben hatte. An einer Schulter war die Naht aufgeplatzt, die Folge ihres hastigen Rückzugs aus der Sägemühle. Der Rock zeigte große Rußflecke an der Stelle, wo sie in der Zeitungsredaktion gegen den Ofen gestoßen war. Ein junger Mann mit einem Bleistift hinter dem Ohr hatte sich aufdringlich nach dem Grund ihres Aufenthalts in der Stadt und ihrer Beziehung zu Cole Jordan erkundigt. Dann wollte er wissen, wo sie wohnte, warum sie überall in Legend herumfragte, ob sie zu der berüchtigten Räuberbande gehörte, ob ihr Verlobter von ihrer Beteiligung an den Raubzügen erfahren hatte und deshalb die Hochzeit abgesagt hätte, wo die Beute versteckt wäre und ...
    Kady war so schnell aus der Redaktion geflüchtet, daß sie um ein Haar den Ofen umgestoßen hätte. Glücklicherweise war kein Feuer in ihm gewesen, sonst hätte sie sich am Ende noch in Flammen gesetzt.
    Am heutigen Vormittag hatte sie nicht mehr Glück bei ihrer Arbeitssuche als am Tag zuvor. Inzwischen klopfte sie bereits an die Türen ganz normaler Wohnhäuser. Als sie dabei einmal in die freundlichen Augen einer grauhaarigen Frau blickte, überwand sie sich und bat sie um etwas zu essen. Doch dann tauchte ihr Mann hinter ihr auf. »Wir haben etwas gegen Bettler in unserer Stadt«, sagte er zu Kady und schlug ihr die Tür vor der Nase zu.
    Und nun lief sie auf die Kirche zu, um sich mit Cole zu treffen. Wie sollte sie sich verhalten? Sollte sie ihm vormachen, daß alles in Ordnung war und sie keine Hilfe brauchte? Sollte sie ihren Stolz wahren? Unter allen Umständen?
    Komisch, wie schnell der Stolz schwand, wenn der
    Magen knurrte. Wenn sie endlich wieder im 20. Jahrhundert war, würde sie vielleicht ein Buch schreiben: »Zeitreise - die neue Methode zur Gewichtsabnahme«.
    Würde, dachte sie, ich muß meine Würde behalten. Vor ihr stieg die Straße langsam aber stetig an. Als sie den höchsten Punkt erreicht hatte, lag ein ganz anderer Ort vor ihr. Der Teil von Legend, den sie bisher gesehen hatte, war ansehnlich und adrett, aber dieser hier schien ein kleines Paradies zu sein. Die Straße gabelte sich: Links war die Kirche, und rechts stand ein prachtvolles Haus mit einer großen Veranda und gewölbten Fenstern. »Legend Library« stand auf einem Schild über der Tür. Rechts von der Bibliothek führte eine Auffahrt hügelan, und als Kady das Gebäude am Ende der Auffahrt sah, mußte sie unwillkürlich blinzeln. Wenn sie nicht alles täuschte, war das weiße Haus mit der eindrucksvollen Kuppel eine Moschee.
    Noch nie habe ich von einer Moschee im alten Westen gehört, dachte sie, als sie sich umdrehte und der Kirche zuwandte. Üppige Blumenbeete flankierten den sorgsam geharkten Weg und der Friedhof war eine Patchworkdecke winziger blauer Blüten inmitten saftigen Grüns. Offensichtlich prosperierten die Minen von Legend, wenn sich der Ort derart gepflegte öffentliche Gebäude leisten konnte.
    Als sie sich der Kirche näherte, hörte sie Gesang. Und das ließ sie lächeln. Vielleicht brachte

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