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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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über unsere anspruchsvolle Kunst.«
    Er überreichte mir das Buch. Ich hatte bei den paar Schauspielern unter meinen Patienten bemerkt, daß sie unter der charmanten Einbildung leiden, ihr Werk sei für den Lauf der Geschichte bedeutsamer als ein Kasperltheater.
    »Ich werde Sie jetzt untersuchen, Sir Damian.«
    »Oh, ich fühle mich wieder ausgezeichnet. Danke. Aber es war nett von Ihnen, daß Sie gekommen sind.«
    »Zu meinem Besten, nicht zu Ihrem«, erklärte ich energisch und schlug die Bettdecke zurück. »Sie wollen mich doch nicht etwa verklagen müssen, weil ich ein perforiertes Geschwür übersehen habe, oder?«
    »Übrigens, in diesen durchsichtigen Nachthemden schläft man doch viel angenehmer«, bemerkte er.
    Ich fand nichts Beunruhigendes. Das Nachthemd war feuerrot. Vergeblich versuchte ich, Sir Damians Parfüm zu identifizieren.
    Ich sagte: »Nehmen Sie zwei von diesen weißen Tabletten, wenn Sie wieder Verdauungsstörungen haben sollten. Und darf ich bei dieser Gelegenheit mein Honorar erwähnen? Der heutige Besuch ist darin nicht inbegriffen.«
    Sir Damian nahm das Blatt und las es. Seine Augenbrauen zitterten und kamen so eng zusammen wie zwei Terrier bei der Paarung.
    »Der Hunger sitzt in deinen hohlen Backen. Not und Bedrängnis darbt in deinem Blick. Auf deinem Rücken hängt zerlumptes Elend«, zitierte er wie ein Echo aus einem Grab.
    »So schlecht steht es um den Gesundheitsdienst nun auch wieder nicht«, entgegnete ich.
    »Das war Romeo, der zu seinem Apotheker spricht. Und der Kerl wollte nur vierzig Dukaten. Herbert, kümmere dich irgendwann einmal darum.« Sir Damian reichte ihm die Honorarnote. »Und jetzt hätte ich gerne ein Welsh Rarebit.«
    »Ich hab keine Lust, um diese Zeit mit klebrigem heißen Käse herumzuhantieren«, widersprach Herbert.
    »Oh doch«, versicherte ihm Sir Damian. »Oder du wirst wieder am Leicester Square auftreten müssen.«
    Vor dem Schlafzimmer machte Herbert eine vielsagende Geste: Er rieb Daumen und Zeigefinger vor meinem Gesicht. »Das Geld!«
    »Ah, Sie haben es zur Hand?«
    »Für die Autobiographie. Der Preis steht auf dem Umschlag. Das hier ist keine öffentliche Bücherei, wissen Sie. Sie bekommen für Ihr Geld auch schließlich sechsunddreißig Bilder von Sir Damian.«
    Ich zog meine Brieftasche hervor. Immerhin, das alles lenkte mich von Jim Whynn ab.
     

6
     
     
    Am nächsten Morgen verkündeten die Zeitungen, daß Jim Whynn von seinem Regierungsposten zurückgetreten war. Es war die schlimmste Woche meines Lebens -und erst Dienstag.
    In meine Praxis kam ein weiterer von Walter Elmsworthys Privatpatienten.
    Douglas Blackadder war Steuerberater, in der Londoner City ansässig, Gemeinderatsmitglied in Churchford und ein alter Freund von mir. Er hatte mich gebeten, mir einmal seine neunzehnjährige Tochter Annabel anzusehen. Wie viele Jugendliche, deren psychologischer Mechanismus sich noch nicht eingespielt hatte, war sie widerborstig, verübte Ladendiebstähle, rauchte Haschisch, demonstrierte gegen Atomkraft, protestierte eben auf die konventionelle Art gegen die Konventionen.
    Sie war hübsch, blaß, hatte ungepflegtes, langes blondes Haar, trug wadenlange Jeans und pinkfarbene Pumps, ein bedrucktes T-Shirt, keinen BH sowie mehrere Ringe an Fingern und Ohren.
    Walters Gutachten war kurz. Er war ein unausstehlicher Mensch, aber ganz vernünftig als Psychiater. Er verschrieb nur AL, nämlich »Aufmerksamkeit und Liebe«, ein Heilmittel, das es schon lange gab, bevor sich noch der Arzt in das Leben der Menschen einmischen mußte.
    Tröstend sagte ich zu ihr über den Schreibtisch hinweg: »Deine Probleme sind nichts anderes als geistige Wachstumsschmerzen, Annabel. Du darfst dich nicht als mißratenes Kind fühlen, daß in einem Heim oder noch schlimmer enden wird. In ungefähr einem Jahr wirst du dich wundern, was für einen Blödsinn du angestellt hast.« Ich lächelte. »Wenigstens stehst du nicht in der Zeitung.«
    Sie schluckte. »Doktor Gordon...«
    Sie hielt inne.
    Ich fragte sanft: »Du bist doch nicht etwa in noch größere Schwierigkeiten geraten, seit du bei Doktor Elmsworthy warst?«
    »Oh nein«, antwortete sie scharf. »Eigentlich nicht. Na ja, vielleicht doch irgendwie.« Hastig fuhr sie fort: »Sie kennen doch dieses Zimmer für Privatpatienten im Krankenhaus, wo auch die Sekretärin sitzt und man wartet, bis man drankommt. Na ja, sie ging aus dem Zimmer, um etwas zu holen, und da hab ich zufällig die Briefe auf ihrem

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