Wer aaahh sagt...
Verandatür am Abend der Aufführung nicht klemmen wird, so wie damals, als wir >Der Freund< spielten.«
Mr. Dale (aus der Buchhandlung) legte sich auf dem Sofa zurecht. Mrs. Blessington kam wieder von rechts auf die Bühne.
»Giles, mein lieber Giles! Es ist doch nicht wahr? Er kann doch nicht tot sein?! Travers!«
»Ja, Madam.« Mrs. Noakes kam von links, die Hände vors Gesicht geschlagen. »Mein armer Herr. Noch vor einer Minute lachte er und machte Späße, wie es seine Art ist.«
»Haben Sie auch sicher den Arzt gerufen?« fragte Mrs. Blessington.
»Aber da kommt er ja«, teilte Mrs. Noakes mit und nahm die Hände vom Gesicht.
Ich betrat von der Mitte her durch die unsichtbare Verandatür die Bühne.
Meine Rolle war nicht anspruchsvoll. Ich hatte zu erklären, daß Mr. Dale eines natürlichen Todes gestorben sei.
Mrs. Blessington wurde später verdächtigt, ihren Mann mit Strychnin, das sie ohne weiteres mit dem Magenbitter in seinen Morgen-Gin gemischt haben konnte, vergiftet zu haben.
»Es ist etwas Furchtbares passiert«, begrüßte mich Mrs. Blessington.
»Meinen Sie, er ist tot?« rief ich.
»Oh Gott, Mrs. Horsefall, ich fürchte, ich komme zu spät«, schrie die Souffleuse, Mrs. Agnew (von der Baugenossenschaft).
»Ich meine, er sieht überhaupt nicht wie ein Toter aus«, stellte ich fest.
Mr. Dale war niedergeschlagen. »Ich habe zu Hause so viel geübt, Doktor. Ich schwöre, daß ich trainiert habe, zehn Minuten lang die Luft anzuhalten.«
»Daran liegt es vielleicht«, erklärte ich hilfreich. »Bei einer Leiche ist der Mund geöffnet, und die Lippe hängt herunter, so ungefähr.«
»Oh, nicht, Doktor!« schrie Mrs. Noakes und schlug wieder die Hände vors Gesicht.
Keiner konnte mir widersprechen, ich war ein anerkannter Experte für Leichen. Mr. Wilbrahams machte den Vorschlag, ich solle privat mit Mr. Dale üben.
»Soll ich den Doktor vielleicht küssen?« fragte Mrs. Blessington.
»Warum?« wollte Mr. Wilbrahams wissen.
»Um meine Erleichterung zu zeigen.«
»Ich glaube, ein Küßchen auf die Wange müßte genügen«, meinte Mr. Wilbrahams unsicher, als Mrs. Blessington meinen Kopf in beide Hände nahm und mir einen Kuß auf den Mund drückte.
»Die Leiche Ihres Mannes ist noch gar nicht kalt«, sagte Mrs. Noakes kritisch.
»Das macht mich noch verdächtiger«, klärte Mrs. Blessington sie auf. »Sollen wir es noch einmal probieren?«
»Ich glaube, der Kaffee ist fertig«, warf Mr. Wilbrahams ein.
Auf der Herrentoilette ließ Mr. Wilbrahams seine Hose herunter, und ich stellte tinea cruris fest.
»Das ist nur so eine Art Fußpilz im Intimbereich«, versicherte ich ihm aufmunternd.
»Ich war natürlich höchst beunruhigt, Doktor«, murmelte er, »obwohl ich ein untadeliges Leben führe.«
»Früher nannte man das die Indische Wäscherflechte, die man sich durch schmutziges Wasser zuzog damals, als Indien noch das Juwel der Krone war. Ich kann Ihnen Tabletten geben.«
»Ich bin so erleichtert, Doktor«, sagte er dankbar. Er zögerte. »Als Mann fühlt man sich durch so etwas irgendwie unrein, wenn man mit jemandem wie Mrs. Blessington spricht.«
Draußen wartete der Oberst, Mr. Collingwood (Versicherung), der fragte, ob ich nicht einen Blick auf seine Schwellung am Rücken werfen könnte.
Bevor ich ging, bestellte ich an der Theaterkasse bei Mrs. Fenwick (Lehrerin an der Beowulf-Gesamtschule) zwei Dutzend Karten für die Premiere.
»Du vergibst Freikarten, damit man dich am Pranger stehen sieht«, bemerkte Sandra sarkastisch. »Das kommt mir wirklich wie der Gipfel des Exhibitionismus vor.«
Ich entschied, daß sie auf Mrs. Blessington eifersüchtig war.
18
Am nächsten Morgen brachte ich das gerichtsmedizinische Lehrbuch meines Sohns Andy zur Probe mit. Ich hatte allerdings das Gefühl, daß es Mr. Dale keine besonders große Hilfe sein würde. Die Farbphotos auf jeder Seite trugen Unterschriften wie »Zwei Wochen alte Wasserleiche«, »Verkohlte Überreste des Piloten«, »Verweste Leiche mit Maden in einem Wohnwagen« und »Entfernung des Mageninhalts mit Löffel aus rostfreiem Stahl«.
Mr. Dale machte große Augen, auch als er die Abbildungen »Sodomie mit Gewaltanwendung«, »Normale Vergewaltigung« und »Starke Veränderungen im Brustbereich« sah.
»Ich bin sicher, daß Sie bei der Premiere so tot wie ein Sargnagel aussehen werden«, sagte ich ihm zur Ermutigung.
»Ich werde weiterhin zu Hause üben, Doktor«, stimmte er mir ernsthaft zu,
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