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Wer aaahh sagt...

Wer aaahh sagt...

Titel: Wer aaahh sagt... Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Richard Gordon
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gutaussehender junger Mann mit kantigem Gesicht und dichtem Haar; progressiv, links eingestellt, kein Kollar, kein Ich-bin-heiliger-als-du-Gehabe. Er stand am Eingang des Gemeindesaals und erklärte verwirrt, daß es gegen die Gemeindevorschriften, wenn nicht sogar gegen die Lehren der Kirche von England verstoße, im August zu heizen. Seine Widersacherin, die, dick eingemummt in einem Nerzmantel, zitterte und ihm ärgerlich widersprach, war Mrs. Noakes.
    Mrs. Noakes hegte ebenfalls seit Jahren eine heimliche Leidenschaft für mich.
    »Doktor, wie reizend!« rief Mrs. Noakes, öffnete ihren Nerz und drückte mich an ihr schwarzes Trikot, während der Vikar sofort die Gelegenheit ergriff, um sich in die Kirche davonzustehlen. »Und Sie spielen auch mit. Wir werden so viel Spaß zusammen haben.«
    Mrs. Noakes war klein, hatte schwarzes, lockiges Haar, eine Stupsnase und Brüste, die so fest waren wie reife Auberginen. Sie wohnte in einem großen, im Tudorstil der dreißiger Jahre nachgebautem Haus ohne Swimmingpool; dafür besaßen die Noakes eine Villa in Fuengirola und einen Rolls. Meine Patientinnen Mrs. Blessington und Mrs. Noakes waren unsere großartigen, rivalisierenden Gastgeberinnen, wir Mrs. Astor und Mrs. Vanderbilt, Lady Cunard und Lady Londonderry, und wetteiferten um den Beifall der Churchforder Gesellschaft mit Wein und Käse.
    Mrs. Noakes faßte mich an der Hand. »Kommen Sie, Sie müssen unseren lieben Regisseur kennenlernen. Hier ist unser geliebter Doktor.«
    Sie stellte mich meinem Bankdirektor vor.
    Ich hatte Mr. Wilbrahams bereits bemerkt, der, um sich warm zu halten, auf der kahlen Bühne in Jeans und einem Hawaiihemd herumhüpfte und Dinge sagte wie: »Göttlich, entzückend, aber leg ein kleines bißchen mehr Gefühl in deine spöttische Bemerkung«, so wie er normalerweise sagte: »Ihr Überziehungsrahmen wird auf der Grundlage unseres Basiszinssatzes plus drei Prozent berechnet.«
    »Helen, Liebste!« Er umarmte Mrs. Noakes. »Dein großer Auftritt kommt einfach göttlich rüber.«
    »Lionel, Süßer«, murmelte sie, streichelte seine Wange und gab ihm einen Kuß auf die andere.
    »Helen, Liebste!« rief Mrs. Blessington, als sie in der Tür erschien, mit Netzstrümpfen und einem gestrickten Seemannspullover bekleidet und Ohrgehängen, die wie Krapfen aussahen.
    »Valerie, meine Liebe!« sagte Mrs. Noakes, als sie einander küßten.
    Der Spaß der Laienschauspieler besteht in der Möglichkeit, sich wie Schauspieler zu benehmen, ohne daß sie sich in der mißlichen Lage befinden, sich ihr Geld damit verdienen zu müssen.
    Mr. Wilbrahams klatschte in die Hände.
    »Okay, meine Herrschaften, wir fangen von vorne an.« Er wandte sich an die ungefähr zwanzig Darsteller, die in dem eisigen Saal herumstanden. »Erster Akt, Erste Szene. Helen und Valerie, Schätzchen, auf die Bühne!«
    »Meine Zähne klappern so, daß ich meinen Text nicht herausbringe«, klagte Mrs. Blessington.
    »Du hättest dir mehr anziehen sollen, meine Liebe«, bemerkte Mrs. Noakes.
    »Trägst du Thermounterwäsche unter diesem schwarzen Ding?« fragte Mrs. Blessington.
    »Ich habe keine Thermounterwäsche an, meine Liebe«, verbesserte Mrs. Noakes sie mit Nachdruck.
    »Oh, es tut mir leid, Helen; vielleicht hast du nur ein bißchen zugenommen«, stellte Mrs. Blessington entschuldigend fest.
    »Vorhang hoch«, sagte Mr. Wilbraham.
    »Es ist Cocktailzeit«, verkündete Mrs. Blessington laut. »Travers!«
    »Ich komme schon, Madam«, erklärte Mrs. Noakes und hielt die Arme ausgestreckt nach vorne. »War ich auch nicht zu schnell, Lionel? Ich meine, ich möchte nicht die Wirkung meines späteren Auftritts verderben, wenn ich an der Tür lausche.«
    »Ein gutes Dienstmädchen würde die Kanapees sofort bringen, nachdem ich sie bestellt habe«, sagte Mrs. Blessington.
    »Ein gutes Dienstmädchen würde nicht in so einer Bude arbeiten«, erwiderte Mrs. Noakes.
    Es war klar ersichtlich, daß Mrs. Noakes nicht den geringsten Wert darauf legte, Mrs. Blessington überhaupt Kanapees zu bringen, nicht einmal der Kunst zuliebe.
    »Laßt uns noch mal von vorne anfangen, ihr Lieben!« rief Mr. Wilbrahams. Er setzte mit seiner Bankdirektorenstimme hinzu: »Doktor, ich hab da unten so einen Juckreiz. Könnten Sie sich das in der Kaffeepause auf der Herrentoilette mal ansehen?«
    Der Bühnenmeister, Mr. Daypole (Einzelhändler in Herrenbekleidung) gab nervös kurze Anweisungen: »Sie stehen hier, Doktor. Ich hoffe, daß die richtige

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