Wer aaahh sagt...
Verhaltens in Dorking. In Westerham sind fünfzig dieser Idioten auf die Idee gekommen, gemeinsam auf die Straße zu pissen. Ich erwarte jeden Augenblick eine Delegation der Anrainer, und Montag kommen bestimmt Anzeigen wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Verschmutzung der Vorgärten. Die ersten von den paar Nüchternen werden doch sicherlich jede Minute eintreffen?« Er fixierte verzweifelt die mit Flaggen geschmückte Zielgerade. »Das gibt wenigstens ein vernünftiges Bild in den Fernsehnachrichten.«
Wir warteten. Die Fernsehteams wurden langsam unruhig. Sie starrten in den Himmel und beschwerten sich, daß sie kein Licht mehr hätten. Ich blickte auf die Uhr.
»Na, ja, die Pubs haben schon geöffnet. Vielleicht haben sie alle bei einem Pub haltgemacht, um sich einen Drink zu genehmigen?« meinte ich, aber Doktor Lonelyhearts fand das nicht besonders witzig.
Wir warteten weiter.
Doktor Lonelyhearts führte mit seinem Walkietalkie eine aufgeregte Unterhaltung. Die Fernsehleute packten ihre Kameras ein, beluden ihre Wagen und fuhren ab. Die Straßenbeleuchtung in Churchford ging an. Die Sticks-Manager gingen zu ihren Royce Rolls und Jaguars. Sie würdigten Doktor Lonelyhearts weder eines Blickes noch eines Wortes. Er saß auf einer Kiste mit Filterzigaretten und hielt sich die Hände vors Gesicht.
»Wo sind sie? Wo sind sie?« stöhnte er wie ein General, dessen Armee geflüchtet ist. »Sie können doch nicht innerhalb von ein paar Stunden vom Erdboden verschwunden sein. Selbst beim Erdbeben in San Francisco gab es Überlebende. Oder wird das Ganze als eines der großen Geheimnisse in die Geschichte eingehen, so wie das der Marie Celeste?«
Ich legte ihm schweigend den Arm um die Schultern. Dann verabschiedete ich mich. Der Mond ging auf.
Zu Hause fand ich Basil Barty-Howells vor, der im Wohnzimmer mit Sandra einen Glenlossie trank und mit roten Flecken übersät war.
»Meine Ersparnisse - dahin«, verkündete er glücklich. »Ich habe meine Bienen auf dem tiefliegenden Teil von Pilgrim’s Way freigelassen, knapp vor Churchford. Das letzte, was ich von den Marathonläufern gesehen habe, war, wie sie im Wald verschwanden. Dort werden sie wahrscheinlich über Nacht bleiben. Ich weiß nicht, was elektronische Bienenstöcke an sich haben«, überlegte er laut und kratzte sich. »Aber die Bienen scheinen sie enorm stechfreudig zu machen.« Er leckte sich die Lippen. »Der Whisky ist wirklich gut, danke. Gott sei Dank muß man davon - anders als beim Rauchen - eine Menge zu sich nehmen, bevor man daran stirbt. Ja, danke, ich nehme noch einen.«
Drei Tage später traf ich Doktor Lonelyhearts auf der High Street in Churchford.
»Die AF hat mich gefeuert«, informierte er mich verdrießlich. Er seufzte. »Ich hätte niemals die Öffentlichkeitsarbeit für etwas übernehmen sollen, das ich verachte. >Bleib dir selbst treu<. Shakespeare hatte völlig recht. Aber zu seiner Zeit hat natürlich kaum jemand außer Sir Walter Raleigh geraucht.«
17
Mrs. Blessington kam zu ihrer jährlichen Durchuntersuchung.
Torschlußpanik!
Ich wußte, daß es diesmal nur falscher Alarm war, wie die Angst, die ein ungezogenes Kind befällt, wenn es einen trügerischen Schatten sieht.
Ich bin seit Jahren davon überzeugt, daß Mrs. Blessington eine heimliche Leidenschaft für mich hegt. Sie sieht mich immer mit dem faszinierten, scheuen, aber amüsierten Blick eines Kindes an, das vergnügt dem Geschehen im Zirkus folgt.
Gleichgültig, welche Beschwerden sie anführte -schon nach kurzer Zeit mußte ich mir von den sexuellen Praktiken auf ihrem gemeinsamen Lebensweg mit Mr. Blessington und ihren gelegentlichen Seitensprüngen berichten lassen. Selbst bei dem geringfügigsten Wehwehchen zog sie bereitwillig ihr Kleid aus und befreite sich von ihrer Boutiquen-Unterwäsche, um mir hilfreich Einblick zu gewähren.
Mrs. Blessington hat blondes Haar, große Augen, und ihr Mund ist immer leicht geöffnet. Sie ist groß, schlank wie ein Reh, und ihre Brüste sind so stramm wie zwei Pfirsiche. Ich sehe sie regelmäßig anläßlich von Einladungen in das neue, niedrige, weiße Haus der Blessingtons mit Swimmingpool, einer mit Flutlicht beleuchtbaren Terrasse und einem Grill aus Backstein. Wie viele ihrer übrigen Gäste, die höflich sein wollten, hatte sie das Gefühl, daß mich ein Gespräch über ihre Beschwerden am ehesten interessieren würde; oft schlägt sie mir vor, nach oben in ihr Schlafzimmer zu gehen, wo
Weitere Kostenlose Bücher