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Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben

Titel: Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stelter
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lächelte mich an. Ihr Ausdruck lag irgendwo zwischen genervt und mitleidig, aber sie lächelte.
    Gemächlich ging ich zu den Fahrradsperren an Johnnys Supermarkt, dann drückte ich auf den einzigen Knopf an meiner neuen Pulsuhr und fiel in einen leichten Trab. Ich trabte an der Rezeption vorbei und bog rechts ab in den Feldenmarkseweg.
    Im Nachhinein ist es mir völlig unverständlich, warum ich nicht schon gleich hier schnurstracks in die neben dem Weg verlaufende Gracht getrabt bin, denn meine Augen und meine Konzentration waren an diesem ersten Morgen unseres Sommerurlaubs nicht auf die Straße gerichtet. Stattdessen beobachtete ich die Digitalanzeige des grauen Pulsmessers an meinem linken Handgelenk. »So um die hundertdreißig«, hatte Willi mir geraten, »nich über hundertvierzig.« Die Hundertdreißig waren kein Problem. Die hatte ich schon kurz nach der Rezeption. Puls hundertdreißig, das ist die aerobe Zone, hatte ich gelernt, da kommt man nicht so außer Atem, und trotzdem verbrennt der Körper ordentlich Kalorien. Das ist eine schöne Nebenwirkung des Laufens.
    Meine Gedanken drehten sich um den Körperbau von Herbert, der war ja seit einigen Monaten auch ganz schön drahtig geworden. Nach dem nächsten Rechtsabbiegen hatte ich die Hundertvierzig erreicht. Jetzt bloß nicht überpacen. Sonst hängt dir die Zunge aus dem Hals, weil du die aerobe Zone verlassen hast. Ich drosselte also mein Tempo so weit, dass einerseits ein mäßig rüstiges Nordic-Walking-Rentnerrudel mich glatt überholen würde, dass andererseits die Anzeige auf meiner Pulsuhr aber wieder auf dem Weg nach unten war.
    Hundertfünfunddreißig, hundertdreißig, hundertfünfundzwanzig. Das war jetzt wieder zu wenig. Also den Oberkörper leicht nach vorne beugen, die Schritte ein kleines bisschen verlängern und wieder ein bisschen Tempo aufnehmen. Mein Blick war permanent auf die digitale Pulsanzeige gerichtet, damit ich mich zwischen hundertfünfunddreißig und hundertvierzig einpendelte: ordentliche Geschwindigkeit, und die Zunge berührt trotzdem noch nicht das Laufshirt. Ein Jogger, der mir entgegenkam, grüßte mit einem freundlichen »Daach!«. Grüßte er nur einen Gleichgesinnten oder war seine Freundlichkeit auf das Oranje meiner Joggingkleidung zurückzuführen?
    Ich bog rechts in den Hoge Duvekotsweg ein. Zunächst empfand ich den Wind, der mir meine Gesichtshaut kühlte, als durchaus angenehm. Aber schon bald vermeldete mein elektronisches Herzfrequenzanalysegerät einen rapiden Anstieg des Pulsschlags. Gegenwind heißt Gegenwind, weil man dagegen anrennt. Und das ist im ersten Moment vielleicht erfrischend, aber es ist vor allem verdammt anstrengend. Ich musste in leichten, na ja, sehr leichten Trab verfallen, um wieder Zahlen im Hundertdreißigerbereich zu sehen. Ein bisschen beschleunigen, dann wieder abbremsen. So langsam hatte ich es raus. Nach dem vierten Rechtsabbiegen wäre der Gegenwind wieder weg. Den Seitenwind würden die hohen Hecken abhalten. Gleich könnte ich wieder ein bisschen Gas geben.
    Moment! Viertes Abbiegen, das hieß, ich hatte die Hälfte meiner Strecke schon hinter mir. Hastig zog ich die Pulsuhr am Brustgurt entlang, und wie von Willi prophezeit, wechselte die Digitalanzeige auf die Stoppuhrfunktion: 23 : 40 .
    Ich war fast vierundzwanzig Minuten gelaufen, ohne Gehpause! Das Kleinhirn signalisierte sofort, jetzt ist aber gut. Aber die Beine liefen halt. Natürlich hätte ich jetzt eine Pause einlegen können, die hatte ich ohne Frage verdient. Aber die Beine liefen, und sie fühlten sich noch ziemlich gut an. Die Uhr zeigte nun wieder meinen aktuellen Puls an, gute hundertdreißig, alles o.k.
    Bis zur nächsten Abbiegestelle, das würde ich schon noch schaffen. Aber ich lief plötzlich nicht mehr automatisch. Ich wusste nun, dass ich mich auf Rekordkurs bewegte, und der Körper reagierte sofort. Mein Puls fiel mittlerweile nicht mehr unter hundertvierzig. Die Gehpause würde jetzt tatsächlich helfen. Die Straße machte einen kleinen Schlenker, und ich konnte jetzt schon die Hecken des Feldenmarksewegs sehen. Ich trabte weiter. Die entgegenkommenden Spaziergänger, Radfahrer und Jogger vermuteten wahrscheinlich, ich hätte ein kleines Erfrischungsbad in der Gracht genommen. Der Schweiß tropfte mir in Sturzbächen von den Haaren in die Augen, aber die Beine liefen.
    Als ich in die Schlussetappe einbog, in den Feldenmarkseweg, zog ich wieder die Uhr am Brustgurt vorbei, über vierunddreißig

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