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Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben

Titel: Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stelter
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Minuten. Puls hundertdreiundvierzig.
    Ich begann zu halluzinieren. Aus der polierten messingfarbenen Zapfanlage der Kantine floss ein dunkles belgisches Trappistenbier in das typische tulpenförmige Glas, ich spürte das Zischen im Rachen, als die Flüssigkeit in meiner überhitzten Speiseröhre verdunstete, bevor das Bier die Leber erreichte. Und die Beine liefen. Sie liefen langsam, aber sie liefen.
    Eine Gehpause kam jetzt nicht mehr in Frage. Herbert, ich zeig’s dir. Fünfundvierzig Minuten. Wäre die Strecke überhaupt lang genug, um die fünfundvierzig Minuten zu schaffen? An der Einfahrt zu »Camping de Grevelinge« würde ich wieder die Zeit abfragen, dann würde ich es wissen.
    Die Knie müssten jetzt wehtun. Ich hörte in meinen geschundenen Körper hinein. Alles fühlte sich noch o.k. an, kaputt, aber o.k. Außen fühlte sich alles nass an. Ich zog jetzt wahrscheinlich eine Schweißspur hinter mir her.
    Ich hatte den Körper von innen und außen überprüft. Was war mit der Psyche, war schon ein Runner’s High zu spüren, dieses Hochgefühl, über das ich schon einiges gelesen hatte? Nee, ein Runner’s Low, das spürte ich. Ich spürte jede einzelne Masche meiner neuen Socken, die Druckstelle am linken kleinen Zeh würde wohl bald zu einer ausgewachsenen Blase mutieren, aber das Schild »Camping de Grevelinge« war schon von Weitem zu erkennen.
    Der Gedanke an einen Schlussspurt währte nur kurz. Ich schleppte mich an dem Schild vorbei, und die Stoppuhr zeigte 41 : 40 . Ich lief zur Fahrradsperre an Johnnys Supermarkt: 43 : 20 . Ich stoppte natürlich nicht. Ich lief am Schwimmbad vorbei, um den Spielplatz herum, es kostete mich einige Anstrengung, die Hand mit der schweren Pulsuhr noch einmal zu heben, um Alfred zu grüßen, der gerade vor seinem Caravan die Hecke schnitt. Ich lief auf unser Feld: 45 : 10 . Ich hatte es geschafft. Über fünfundvierzig Minuten gelaufen.
    Anne kam aus dem Vorzelt. »Du bist schon wieder da?«
    »Ja, ich bin durchgelaufen. Als ich das erste Mal auf die Stoppuhr geguckt habe, war ich schon dreiundzwanzig Minuten unterwegs. Da bin ich einfach weitergelaufen.«
    Sie nahm mich in den Arm, klatschnass, wie ich war, sie küsste mich, und sie sagte: »Ich bin stolz auf dich.«
    Sie war stolz auf ihren dicken Mann, der wahrscheinlich stank wie ein läufiger Puma im Reviermarkierungsstress.
    »Und morgen laufe ich mit.«
    »Ääh, morgen?!«
     
     

Sie verlassen die aerobe Zone
     
     
     
     
    Der Campingplatz »de Grevelinge« ist ein moderner Campingplatz. Unser Stellplatz verfügt zum Beispiel über ein »Sanitair privé«, das ist eine eigene Nasszelle, also Dusche, Waschbecken und Toilette, nur für uns alleine, für Camper ein nicht hoch genug einzuschätzender Luxus. Dieses »Sanitair privé« ist der Grund, warum ich unseren Urlaub als »Camping light« bezeichne. Anne hat aus unseren dreieinhalb Quadratmetern Nasszelle ein Wohlfühlbad geschaffen, eine Wellnessoase, ausgerüstet mit allerlei maritimen Accessoires. Es ist ein Badezimmer geworden, das man gar nicht mehr verlassen möchte. Das ist erwiesen, denn ich erlebe es jeden Morgen, wenn ich Stunden warten muss, bis meine Damen frisch geduscht am Frühstückstisch erscheinen.
    Das »Sanitair privé« ist nur eine der besonderen Errungenschaften von Camping »de Grevelinge«. Der Platz verfügt auch über Wireless Lan. Ich kann also mit dem Laptop im Vorzelt sitzen und im Internet surfen.
    Dazu muss es aber nach zehn Uhr abends sein. Nicht dass die Verbindung vorher nicht zustande kommt. Nein, ich bekomme nur keine Verbindung zu meinem Laptop, weil Edda und Tristan den Computer brauchen, um in irgendwelchen Chat-Communities Freunde zu treffen, deren Eltern auch gerade festgestellt haben, dass das Hotel auf Mallorca oder in der Türkei über Wireless Lan verfügt.
    Wenn die Kids dann auf dem Weg in die Disco sind, also gegen elf, dann darf der alte Vater lossurfen, auf der Suche nach »Puls 130 «.
    Zwischen Puls hundertdreißig und hundertvierzig sollte ich trainieren. Warum? Es geht um die verschiedenen Trainingsbereiche, und davon gibt es vier: die Herzgesundheitszone, die Fettverbrennungszone, den aeroben und den anaeroben Trainingsbereich. Jede Menge Fremdwörter, die ziemlich irreführend sind.
    1 . Herzgesundheitszone ( 50 – 60 %)
    ’tschuldigung, die fünfzig Prozent der maximalen Herzfrequenz erreiche ich beim Spazierengehen. Das mag zwar gesund sein fürs Herz, aber das ist doch kein Sport.
    2 .

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