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Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben

Titel: Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stelter
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Vortrag voller Nomadenromantik natürlich blamiert, wie Oettinger, wenn er englisch spricht, und wurde zur Lachnummer des Abends. Alleine die Anhängerkupplung an seinem Nomaden- SUV kostete zweitausend Euro. Auf diese Anhängerkupplung hat er sich seine Wohnwagendeichsel geflanscht, und dann ist er nach Noordkapelle, Halbinsel Walcheren, Zeeland, Niederlande, gefahren, und da ist er geblieben. Seine »Mobilie« hat er seitdem keinen Meter mehr bewegt.
    Ich könnte mich auch tierisch über ihn amüsieren, nur … Mir geht es genauso. Ich habe bei unserem Caravan sogar die Deichsel abmontiert, damit wir das Ungetüm ein bisschen tiefer in die Hecke schieben können, um mehr Platz zum Federballspielen zu haben. Man könnte natürlich noch die Räder abmontieren, wenn man die weiße Kiste eh nicht mehr bewegt. Dabei hatte mir der Verkäufer seinerzeit geraten, den Caravan mit einer Tandemachse zu bestellen, »dann rappelt der nicht so beim Bumsen.«
    Ich denke, dass eine Tandemachse ohne Räder auch im Stand den Komfort einschränkt, obwohl meine Erfahrungen die Aussagen des Verkäufers nicht unbedingt bestätigen können. Wenn Sie sich für einen Wohnwagen interessieren, denken Sie von vornherein an eins: Die Geräuschisolierung ist in so einer Aluminiumbüchse eher dürftig. Und wenn man einmal gehört hat, wie sich der Nachbar nachts so abmüht – ob nun wegen seines »Vordachs fürs Werkzeug« oder aus anderen Gründen –, dann fällt gern mal der Satz: »Ach Schatz, vergiss es, die drei Wochen gehen auch rum.«
    Außerdem sieht so ein Wohnwagen ohne Räder immer irgendwie kaputt aus.
    Ich habe meinen Wohnwagen ein einziges Mal nach Noordkapelle gezogen, und da steht er nun. Steht und wartet. Aber in diesem Juli 2004 wartete er nicht mehr lange. Denn wir waren wieder auf dem Weg, bepackt mit Bettwäsche, Proviant, vier Fahrrädern, Kleidung für drei Wochen, Laufbekleidung für drei Marathons und mit meiner neuen Pulsuhr. Die nächste Etappe konnte beginnen.
    Es war Hollandwetter, als wir ankamen. Sommer, aber Sommer am Meer, also Sonne, gepaart mit Wind und ein paar Wolken, die je nach Höhe gemächlich über unseren Campingplatz zogen oder in einem Affenzahn über uns hinwegrasten. Trotzdem war es um einige Grade wärmer als in den Osterferien. Diesmal trug ich beim üblichen Rasenmähen am Nachmittag meine Plauze unverhüllt über der Turnhose – und »über« war in diesem Fall tatsächlich wörtlich zu nehmen.
    Auf »de Grevelinge« herrscht zu Beginn der Sommerferien ein geschäftiges Gewusel. All die vielen Wohnwagen, die noch vor ein paar Tagen unbewohnt ihr Nebensaisondasein fristeten, wurden jetzt gelüftet, gewienert, ausgesaugt und abgewaschen. Der Campingplatz füllte sich immer mehr. Es herrschte Betrieb wie samstags bei IKEA .
    Gerd baute seinen Gasgrill auf, Norbert reparierte pfeifend den kleinen Holzweg rund um das Vorzelt. Gaby und Anne saßen schon vor dem Vorzelt und tauschten Strickmuster aus, während Lothar sich nach meinen läuferischen Fortschritten erkundigte.
    »Über zehn Minuten am Stück! Ja, und jetzt geht es erst richtig ab. Ich habe eine Pulsuhr!« Den letzten Satz sprach ich im selben Tonfall wie Tom Hanks in Verschollen: »Ich habe ein Feuer gemacht!«
    Ich wartete, wie sich das gehört, die Verdauungsstunde nach dem Frühstück ab. Nee, »abwarten« ist der falsche Ausdruck. Abwarten, das beinhaltet so etwas wie Muße. Abwarten, das heißt Tee trinken, Gelassenheit an den Tag legen, schauen, ob der Tagesablauf noch Alternativen bereithält. Ich wartete nicht ab, ich wartete, wie man als Kind aufs Christkind wartet. Ungeduldig. Voller Vorfreude. Der Tee stand zwar noch auf dem Frühstückstisch, aber ich trank ihn nicht, ich kam acht Minuten vor Ablauf der Verdauungsüberbrückungsstunde gestiefelt und gespornt, in Tights, Laufhemd und druckverteilenden Vorsprungssocken aus dem Wohnwagen, um meine Brooks Adrenalin 6 zu schnüren.
    Anne schaute ein bisschen genervt. Ich schaute nach der Pulsuhr und dem Brustgurt auf dem Sideboard. »Und, wie iss?«
    Anne war noch nicht so weit. Sie war vollauf damit beschäftigt, ihr Vorzelt zu genießen, den Urlaub zu beginnen. Sie sagte: »Lauf heute mal alleine. Ich habe noch so viel zu tun.« Wohlgemerkt, sie sagte nicht: »Lass uns doch bis heute Nachmittag warten.« Wir waren schon fünfzehn Jahre verheiratet, und sie wusste genauer als ich, dass ich eben nicht abwartete, ich wartete aufs Christkind.
    Ich küsste sie auf die Stirn, sie

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