Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
schön, um wahr zu sein. Die Wahrheit war weniger verlockend und lief eher auf »Fett verbrennen durch fasten« und »Abnehmen durch Abstinenz« hinaus.
Ich protestierte: »Moment, das sind Kohlehydrate, Kohle hydrate. Wenn die Kohlehydrate heißen, dann müssen die ja schwarz sein, klein und schwarz. Und der Grappa ist klar, klein und klar! Wenn also im Grappa Kohlehydrate drin wären, dann würde ich die sehen, ganz sicher!«
»Einhundertdreißig Komma Fünf.«
»O.k., dann ziehe ich die alkoholfreien Wochen eben vor. Sie beginnen genau jetzt!«
Die Leber ist das größte Chemiewerk im Körper. Irgendwer hat mir mal erzählt, dass die Leber jedes Jahr sechs Wochen Erholungspause braucht, um sich zu regenerieren. Die gönne ich ihr. Wie jedes andere Werk braucht auch die Leber Betriebsferien.
Ich praktiziere jedes Jahr meinen sechswöchigen Alkoholverzicht. Normalerweise nehme ich meine alkoholfreien Wochen immer vom 1 . November bis Mitte Dezember. Der Termin ist natürlich sehr intelligent ausgeklügelt. Wenn ich am 1 . November beginne, dann endet meine Askese am 15 . Dezember, also noch bevor die Weihnachtsmärkte schließen. Ich will auf den guten Glühwein einfach nicht verzichten.
Sechs Wochen lang kein Alkohol, kein Bierchen beim Fußball, kein Weinchen beim Essen, nicht einmal ein kleiner Prosecco nachmittags zum Kaffee in irgendeiner Hotellobby. Und neuerdings kein Grappa bei Graciano.
»Du machst wirklich ernst? Du gehst ab sofort auf Diät?«
»Diät! Wenn ich das Wort schon höre, habe ich schon keine Lust mehr. Diät – mit einem ›t‹ am Ende, wie ›tot‹. Ich will gesund leben. Ich habe ja eigentlich ständig ein schlechtes Gewissen. Mc Donald’s, Coca-Cola, Schnitzel, Rotwein …«
»Dann streich doch einfach das Wort Diät! Such dir einen anderen Begriff aus. Wenn du dich wohlfühlen willst, nenn es meinetwegen Beauty-Attacke.«
»Das klingt ja noch martialischer. Ich will einfach zufriedener sein, mich wohlerfühlen. Ich hab’s! Ich nenne es Wohlfühlwochen ! Wohlfühlwochen, das klingt wie ein Bad in wohlig warmem Wasser, wie zarte und zugleich kräftige Hände einer asiatischen Masseurin, die mir sämtliche Verspannungen aus dem Rücken knetet.«
»Wohlfühlwochen ist wirklich ein toller Begriff. Über die asiatische Masseurin reden wir noch.«
Ich mache keine Diät. Ich habe jetzt Wohlfühlwochen. Abends keine Kohlehydrate, ok. Und sonst? Eine Massage ab und zu ist eine tolle Idee. Ich würde mein Laufprogramm wieder ganz penibel durchziehen. Und ich würde mir Zeit nehmen, um mit Anne nachmittags Tee zu trinken.
Ich wusste nicht, ob das funktionierte. Kann man sich vornehmen, sich wohlzufühlen? Na ja, als Zwölfjähriger konnte ich mir vornehmen, ab sofort Bauchschmerzen zu kriegen. Wenn ich eine halbe Stunde später zur Lehrerin sagte: »Frau Soundso, es geht echt nicht mehr, ich habe tierische Schmerzen«, dann sagte die: »Du, Bernd, das sehe ich. Du bist ja ganz blass. Geh lieber nach Hause.«
Ich nahm mir also einfach vor: Ab jetzt fühle ich mich wohler!
Die Lehren aus der Weight-Watchers-Phase
Es gibt da zwei lieb gewonnene Erfahrungen aus meiner Weight-Watchers-Phase. Genau genommen war es natürlich Annes Weight-Watchers-Phase.
Kennen Sie den Film »Die Braut, die sich nicht traut«? Da gibt es einen Zeitungsreporter, smarter Typ, schlank, klar: gespielt von Richard Gere. Und dieser Reporter hört nun die Geschichte einer Landpomeranze, die schon dreimal zwecks Eheschließung vor dem Altar stand, aber jedes Mal die Düse kriegte und Hals über Kopf aus der Kirche rannte. Maggie Carpenter heißt die Dame, sehr schlank, sehr schön, wieder klar: gespielt von Julia Roberts. Wahrscheinlich kennen Sie den Film, und wenn nicht: Ich verrate wahrscheinlich nicht zu viel, wenn ich sage, es gibt ein Happy End.
So ähnlich wie mit dem New Yorker Reporter und der Schönheit vom Lande lief die Geschichte zwischen mir und den Weight Watchers. Ich war mindestens dreimal nur wenige Meter von der Eingangstür des Gemeindehauses entfernt, wo der Weight-Watchers-Abend stattfinden sollte. Aber im letzten Moment kehrte ich immer wieder um und rannte nach Hause, genau wie Julia Roberts im Film. Gut, die war schneller, bei mir war »rennen« vielleicht nicht ganz das richtige Wort. Mein Bewegungsablauf wurde vielleicht besser durch das bekannte Lied jedes Seemanns-Chores getroffen: »Rolling Home«.
Ich hatte einfach Angst. Wie Paris Hilton vor einem
Weitere Kostenlose Bücher