Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
bringen. Kohlehydrate sind halt unser wichtigster Energielieferant. Ich sollte beim Einkaufen darauf achten, Körnerbrötchen, Dinkel- oder Roggenbrötchen zu nehmen. Klar, kenne ich noch von diversen früheren Diäten. Weißes Mehl und Kristallzucker sind tabu.
Weißes Mehl ist so oft gemahlen und verarbeitet worden, dass schließlich überhaupt keine Ballaststoffe mehr drin sind. Der Nährwert ist noch geringer als der IQ von Forrest Gump, also weg mit dem Zeug.
Weißer Zucker wird ganz schnell ins Blut aufgenommen und erhöht den Blutzuckerspiegel. Das ist das Zeichen. Da sagt sich die Bauchspeicheldrüse: Jetzt aber mal raus mit dem Insulin, und der Blutzuckerspiegel geht sofort wieder runter. Die schlimme Folge ist: Hunger!
»Fährst du jetzt los, Brötchen holen?«
Ich nahm den Autoschlüssel vom Schlüsselbord und legte ihn gleich wieder an seinen Platz zurück.
»Was ist los?«, fragte Anne.
»Ich nehme das Fahrrad.«
Eine knappe Stunde später hatte ich also ein Dinkelbrötchen, belegt mit gekochtem Schinken, und einen Kornknacker mit Tomaten gegessen. Anne hatte noch auf Marmelade statt auf Schinken gedrungen, vergeblich. Ich hatte mit meinen Joghurtdrink dafür gesorgt, dass ich bald eine genau so gesunde Darmflora haben würde wie die arme Frau aus der Werbung, die mit den Blähungen, und ich hatte das Frühstück noch mit einem schönen Glas Orangensaft gekrönt.
Auf den Kristallzucker im Kaffee musste ich nicht verzichten. Ich habe meinen Kaffee schon immer schwarz getrunken. So saß ich mit Anne noch beim Kaffee zusammen. Pappsatt und zufrieden. Also, wenn das meine Diät ist, dann habe ich damit kein Problem.
»Das ist auch kein Problem, du darfst ja alles essen, du musst nur wissen, wann.«
»Ich weiß genau, wann. Heute Abend gehen wir zu Graciano, da werden wir dann mal sehen, ob das kein Problem ist.«
Der Besuch bei Graciano
»Buongiorno, Bernardo!« Die Frau wurde geküsst, die Kinder wurden geherzt, der Bernardo wurde jovial umarmt. Er ist ein perfekter Gastgeber, der Graciano. »Come va?«
Na, großartig geht es mir. Ich bin bei meinem Lieblings-Italiener, habe Hunger wie die Wildecker Herzbuben nach der Fastenzeit und darf nix essen. Mir geht’s wie einem Veganer beim Metzger, wie einem Raucher in Bayern, wie einem Mönch im Pärchenclub. Ich fühle mich überflüssig. Fehl am Platz. Ansonsten geht’s ihm super, dem Bernardo!
Graciano trägt gerne eine Schiefertafel mit sich herum, auf der die Tagesgerichte notiert sind, außerdem gibt es eine große Speisekarte, aber damit ist das Speisenkontingent noch längst nicht erschöpft. Am Tisch verrät er sehr gerne seine ganz speziellen Empfehlungen, die weder auf der Karte noch auf der Schiefertafel stehen.
Gracianos Empfehlungen sind keine Empfehlungen im eigentlichen Sinne des Wortes. Es sind Befehle. Befehle, weil man mit Strafe rechnen muss, wenn man sie nicht befolgt. Die Strafe ist sein Blick. Graciano stammt zwar aus den italienischen Alpen, aber er kann gucken wie die berühmten Hunde der Schweizer Nachbarn.
Stellen Sie sich einen Bernhardiner vor, inklusive Grappa-Fässchen um den Hals! Können Sie ahnen, wie so ein Bernhardiner guckt, wenn er seit Tagen kein Lawinenopfer mehr gefunden hat?
Wenn Graciano sagt: »Unte dann habe ich heute ganze frische Fisch! Dorade, gebrate in Olive-Öl, mitte die Salbei, und dabei die Rosmarinkartoffel. La cannonata! Isse Italienisch. Heiße: Der Hammer!«
Wenn Sie diese Empfehlung ausschlagen, dann guckt Graciano genau so wie der enttäuschte Schweizer Hund.
Für den Erfolg des ganzen Abends würde es also von entscheidender Bedeutung sein, dass wir unsere neuen Ernährungsregularien vor der Bestellung klärten.
»Graciano! Ich habe da noch ein Problem. Wir essen abends keine Kohlehydrate, also kein Brot, keine Nudeln, keine Kartoffeln, kein Reis, weißt du …«
Er wusste es sogar. Er strahlte mich an und sagte: »Ah, sslanke in sslafe! Momento, kommte die Franca!«
Franca kannte sich mit unseren neuen Ernährungsregeln gut aus und verbreitete erst mal Optimismus: »Du kannst dich nirgends so gesund ernähren wie beim Italiener.« Ich schaute wohl etwas ungläubig, denn sie setzte sofort hinzu: »Wir haben nur frische Zutaten, viele Tomaten, Rucola, Salate, frische Kräuter, Knoblauch …«
»Pasta, Pizza …«, setzte ich die Aufzählung fort.
»Kannst du essen! Komm mittags vorbei!«
Wir bekamen statt dem frischen Brot ein paar Oliven und
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