Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben
mir eine Zahl, die ich noch nie vorher gesehen hatte. Ich ging wieder runter von der Waage, kontrollierte noch kurz, ob ich nicht doch noch den Koffer in der Hand hielt, und wartete, bis die Digitalanzeige erlosch. Dann trat ich kurz auf die Platte, betrachtete die vier Nullen, die mir signalisierten, dass das Ding gleich wieder betriebsbereit sein würde.
Also, zweiter Versuch: Ich trat wieder auf die Personenwaage, und das Ergebnis war identisch mit dem, was das Ding vor einer Minute ausgespuckt hatte. Es konnte nicht wahr sein, es durfte nicht wahr sein, es war wahr: 130 , 50 kg! Boh, Scheiße!
Waagen lügen nicht. Ich stand verlassen und fett auf der Waage und fasste einen einsamen Entschluss: »Ab jetzt ist Feierabend!«
TEIL 2
Was alles anders werden muss
Ich ging in die Küche, ich zog aus unserem Kaffeevollautomaten einen Kaffee ohne Latte, ohne Macchiato, sogar ohne Zucker. Der Kaffee war noch zu heiß, um ihn zu trinken, also betrachtete ich missmutig, wie die Crema sich auf der Kaffeeoberfläche langsam auflöste. Ich war niedergeschlagen, wie Ballack kurz vor der WM . Mein kurzes Läuferleben lief an mir vorüber, oder – besser gesagt – es walzte: die erste Minute, die zweite Minute, die Läufe in Holland, die Pulsuhr – alles umsonst. Ich war gescheitert. Vor meinem geistigen Auge sah ich, wie Willi Kenzenich laut loslachte. Nun saß ich am heimischen Küchentisch wie ein Häufchen Elend. Besser: wie ein echter Haufen, wie ein Riesenhaufen, genau genommen wie einhundertdreißigkommafünf Kilo Elend!
Diese Beschäftigung zog mich so sehr in den Bann, dass ich gar nicht mitbekam, wie Anne die Küche betrat und ihre Handtasche auf den Küchentisch stellte.
Wahrscheinlich schaute sie mich fragend an. Ich weiß es nicht, denn ich beobachtete sich auflösende Luftbläschen auf meinem Kaffee. Ich bemerkte sie erst, als sie mich fragte: »Was ist los mit dir, du siehst ja aus, als wärst du von allen guten Geistern verlassen!«
Ich erwiderte: »Ich bin fett.«
Sie antwortete: »Ja klar, aber was ist los mit dir?«
»Nein, Schatz, ich bin zu fett, ich bin mies drauf, es muss irgendwas passieren. Weißt du, ich war eben auf der Waage …«
»Wie viel?«, fragte sie.
»Sag ich nicht.«
»Willst du weiter deine Kaffeetasse angucken oder mit mir reden?«
» 130 , 5 .«
»Boh, Scheiße!«
»Hab ich auch gesagt.«
»Wie?«
»Na, eben auf der Waage, als die 130 , 5 anzeigte, da habe ich auch gesagt: Boh, Scheiße! Schatz, es muss jetzt was passieren, Brigitte-Diät, New-York-Marathon, Fett absaugen, Magenverkleinerung, irgendwas. Am besten alles gleichzeitig. So geht es jedenfalls nicht weiter.«
»Schlank im Schlaf.«
»Verarschen kann ich mich auch alleine!«
»Ich verarsche dich nicht. Das ist eine Insulintrennkost. Das machen Gerlinde und Bernardette gerade. Und das scheint zu funktionieren.«
»Schlank im Schlaf« klang in meinen Ohren zunächst einmal ziemlich unrealistisch, genauso wie »Fit durch fernsehen«, »Fett verbrennen durch faulenzen« oder »Dünn durch Däumchen drehen«. Es hörte sich nach einer dieser Wunderdiäten an, mit denen Frauenzeitschriften versuchen, die Frühjahrsauflage zu steigern. Dennoch: Was hatte ich zu verlieren? Wenn es dem Ende zugeht, werden die meisten katholisch. Ich hörte mich fragen:
»Und wie funktioniert das?«
»Insulin ist ein Hormon, und dieses Hormon blockiert die Fettverbrennung. Da gibt es einen Herrn Dr. Pape, und der sagt: Der Tag ist für einen Menschen anstrengend, und die Nacht braucht er, um sich zu regenerieren. So! Dieses Regenerieren kostet Energie. Die holt sich der Körper vornehmlich aus den Fettzellen.«
»Daran soll’s bei mir nicht fehlen. Was Fettzellen angeht, bin ich Krösus. Ich bin quasi der Bill Gates der Fettzellen.«
»Ich weiß, Schatz. Das Problem ist, dein Körper kommt an diese Fettzellen nur dann ran, wenn die Fettverbrennung nicht durch zu viel Insulin blockiert wird. Insulin wird aber in rauen Mengen produziert, wenn man Kohlehydrate isst. Du bist, um im Bild zu bleiben, nicht nur der Bill Gates der Fettzellen. Du bist auch der Warren Buffett der Kohlehydrate. Und deshalb sind die Fettzellen bei dir so sicher wie in Fort Knox. Man darf abends keine Kohlehydrate zu sich nehmen, damit man nachts Fett verbrennen kann. Weißt du was, Schatz, ich besorge dir morgen das Buch, dann kannst du das alles nachlesen.«
»Hallo, ich bin ein Mann,
Weitere Kostenlose Bücher