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Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben

Titel: Wer abnimmt, hat mehr Platz im Leben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Stelter
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romantisches Restaurant, wir buchen schon von zu Hause aus einen deutschsprachigen Stadtführer, und wir genießen diese »Tage nur für uns«.
    In diesem Jahr stand also Rom auf dem Programm. Wir hatten ein schönes Hotel ganz in der Nähe der Piazza del Popolo gefunden, keine zehn Minuten Fußmarsch bis zum Trevi-Brunnen. Wir hatten für den dritten Abend einen Tisch in einem der besten Restaurants von ganz Rom reserviert. Schon bei dem Gedanken daran lief mir das Wasser im Mund zusammen, aber noch stand ich nicht vor dem Colosseum in Rom, sondern vor der Stadthalle in Betzdorf.
    In Baden-Baden war ich im Fitnessstudio gewesen. Zwei Tage vorher war ich ein Stündchen gelaufen. Ich war im Plansoll. Dreimal in der Woche Sport. Das Hotelfrühstück klappte auch meist wie gewünscht. Körnerbrötchen oder Vollkornbrot fand ich eigentlich immer. Und abends bei »Da Domenico«, im »chez Pierre«, im »Hirschen« oder wo auch immer unser Abendessen vorgesehen war, ließ sich problemlos erklären, dass ich auf Kartoffeln, Brot, Nudeln und Reis verzichte. Kai hatte sich mittlerweile angeschlossen. Er hatte vor dem Ganzkörperspiegel im »Mercure« in Hameln eine verdächtige Rundung oberhalb des Hosenbundes entdeckt, und er dachte ernsthaft über eine Investition in Laufschuhe nach. Auf jeden Fall verzichtete auch er inzwischen auf die Kohlehydratbeilage zum Abendessen.
    Das führte natürlich zu interessanten Gesprächen mit dem Kellner. Ich bestellte also Bistecca mit Taglierini, aber bitte ohne die Taglierini! »Hätten Sie vielleicht ein bisschen Gemüse?« Kai wollte gern die Involtini vom Rinderfilet, »aber bitte ohne Rosmarinkartoffeln, könnte ich stattdessen bitte einen gemischten Salat bekommen?« Jürgen orderte einmal Forelle Müllerin, »aber bitte ohne die Forelle, nur die Müllerin!«
    Und ich hatte jetzt schon nacheinander zwölf Kreuze in meinen Kalender gemalt. Ja, ich war wirklich eisern.
    Es war der neunte Abend nach der Sommerpause, und Kai fragte, ob ich den Notenständer noch brauche. Der Notenständer ist ein nach längeren Spielpausen sehr wichtiges Requisit, denn darauf liegt, vom Schein einer LCD -Klavierfunzel beleuchtet, die Mappe mit meinen Texten. »Nee, brauch ich wohl nicht mehr. Ich müsste wieder alles draufhaben.«
    Punkt 20 : 00 Uhr betrat ich die Bühne der Stadthalle in Betzdorf. Achthundertfünfzig Zuschauer hatten die Halle bis auf den letzten Platz gefüllt. Einem tollen Abend stand nichts mehr im Wege.
    Doch, es stand sehr wohl etwas im Wege, und zwar eine Monitorbox, die Box, die es ermöglicht, dass ich auf der Bühne höre, was ich sage. Dummerweise stand da aber kein Notenständer mehr, dessen LCD -Klavierleuchte mir auf der Bühne zumindest einen Hauch von Orientierung ermöglichte.
    Das war deswegen so schade, weil es in meinem Programm eine Situation gibt, in der ich hinter die Bühne gehe, mich mit einem bunten Hemd und einer Pornobrille als DJ Bernie verkleide, um danach mit dem Publikum eine »Ü30-Disco« abzufeiern.
    Aus irgendeinem Grund war auf dieser Bühne in Betzdorf überhaupt kein Licht, nicht mal ein schwach beleuchtetes grünes Notausgangsschild. Ich lüftete noch mal kurz die Sonnenbrille. Nein, nichts. Es war einfach stockduster. Ich fühlte mich wie Heino in der Dunkelkammer.
    Macht nichts, ich kenne schließlich meine Bühne. Ich tastete mich einfach vorsichtig an meinem Rednerpult vorbei, dann zielstrebig zum Mikrofonständer und … rumms! Da lag ich im wahrsten Sinne des Wortes auf der Fresse. An die Monitorbox hatte ich nicht mehr gedacht.
    Das Publikum in Betzdorf glaubt bestimmt immer noch, dass der Krach, der Aufprall, das Fluchen, dass all das zur Show gehörte. Nein! Tat es nicht. Es war nur schade, dass das Publikum diesen eleganten Startsprung nicht verfolgen konnte. Lang gestreckt wie Mark Spitz bei den Olympischen Sommerspielen in München, den Kopf perfekt zwischen den gestreckten Armen, flog ich auf die Wasseroberfläche zu, die dummerweise ein schwarzer Holzfußboden war. Noch im Flug schrammte ich mir an der Oberkante der Monitorbox das linke Schienbein auf. Das erste Körperteil, das beim Touchdown Bodenberührung hatte, war der rechte große Zeh.
    Noch gute zwanzig Minuten bis zur Pause. Es ist verdammt schwer, zu sprechen, wenn man dabei die Zähne zusammenbeißt, aber irgendwie überstand ich die Zeit.
    In der Künstlergarderobe ließ ich mich auf einen Stuhl fallen und stellte fest, dass Schuhe ausziehen eine verdammt schmerzhafte

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