Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
unterbrochen von nacktem grauem Fels. Die Gipfel waren nebelverhangen, obwohl weiter unten die Sonne schien. Das Wetter in dieser Gegend war berüchtigt für seine Unbeständigkeit, wie manch ein unvorsichtiger Wanderer oder Kletterer bereits am eigenen Leib erfahren hatte. Der dünne Schleier über den Gipfeln konnte innerhalb einer viertel Stunde mit trügerischer Geschwindigkeit bis auf den Talboden herabsinken, und dann würde er seinen dicken nieselnden Mantel über die Menschen werfen, und zwar mit einer Klammheit, die bis in die Knochen ging. Dann sah es stets aus, als würden die Berge selbst näher zusammenrücken und ihre grauen Häupter über die Straßen beugen, die an ihren Flanken klebten. Im Augenblick jedoch fand Markby sie in ihrer wilden Unbeugsamkeit einfach wunderbar.
Er stapfte auf die im weiten Kreis stehenden Anhänger und Busse zu. Weidende Schafe hoppelten über die spärliche Weide vor ihm davon. Wenn es Hunde im Konvoi gab, dann waren sie jedenfalls angebunden worden. Die Hippies gaben sich vorsichtig.
Sie hatten sich zu einer misstrauischen Menge versammelt, und ihre langen Haare, Bärte und die derbe Kleidung passten zu der ungezähmten Natur wie die Faust aufs Auge. Anna Harbin benötigte gut zehn Minuten, um ihre Gefährten zur Kooperation zu überreden und Markby die Erlaubnis zu verschaffen, mit den Kindern zu reden – und das, obwohl sie eine überzeugende Rednerin war und eine starke Persönlichkeit besaß. Markby war froh, dass sie – sozusagen – auf seiner Seite stand.
Zwanzig Minuten nach seiner Ankunft fand er sich auf der Weide sitzend wieder, umgeben von einem Kreis aus jungen Kindern, die ihn aufmerksam betrachteten, als wäre er eine Art Magier, der im Begriff stand, ihnen einen rätselhaften Trick vorzuführen.
Er fragte sie, ob sie sich noch an den letzten Ort erinnern konnten, an dem sie gelagert hatten, der Ort, wo die Leute im Feld nach alten Dingen gegraben hatten. Selbstverständlich erinnerten sie sich sehr gut, und das aus einem offensichtlichen Grund.
»Da war nämlich ein Sekelett!«, versicherte ihm eins der Kinder mit großen runden Augen.
»Ich hatte Angst davor. Ich dachte, es könnte jeden Augenblick aufstehen und herumlaufen!«
»Mir hat es dort überhaupt nicht gefallen«, sagte ein zweites Kind.
»Es war so unheimlich.«
»Aber das Skelett habt ihr doch nicht selbst gesehen, oder?«
»Nein«, sagte das Kind, das zuerst gesprochen hatte.
»Abe die Hexe.«
Ein merkwürdiges Prickeln rann über Markbys Rückenwirbel, ein Zeichen, dass er sich der Sache näherte.
»Ich hab noch nie eine Hexe gesehen! Woher wisst ihr denn, dass es eine war?«
Sie kicherten und blickten sich an.
»Sie hat uns angebrüllt, als wir zu ihrem Schloss gegangen sind, das wir uns ansehen wollten.«
»Schloss?« Markby unterbrach sich und zeichnete eine Skizze in sein Notizbuch. Er hielt ihnen die Skizze hin.
»Dieses Schloss – hat es so ausgesehen?«
»Ja!«, stimmten sie ernst überein.
Es war eine Skizze von Mott’s Folly.
»Und ihr glaubt, dass die Hexe dort gelebt hat? In diesem Schloss? Wie sah sie aus?« Die Kinder beratschlagten kurz. Sie kamen überein, dass sie eine kleine böse Frau mit dunklem oder braunem Bubikopf gewesen war. Sie hatte Drohungen ausgestoßen, die das Blut zum Gefrieren brachten, und die Kinder waren sicher, dass sie nicht gezögert hätte, diese Drohungen auch in die Tat umzusetzen.
»Wir haben uns gegenseitig gehänselt und aufgestachelt, hoch zum Schloss zu laufen und sie zu sehen, bevor sie uns entdeckt«, sagte eines der älteren Mädchen.
»Wir haben Steine durch die offene Tür geworfen, um sie herauszulocken. Sie kam auch heraus und ist hinter uns hergelaufen, aber wir waren schneller als sie.« Die anderen Kinder zischten das Mädchen an, es solle gefälligst schweigen.
»Aber sie war nicht mehr dort, als ihr weggefahren seid?«, hakte Markby nach.
»Nein!« Sie starrten ihn an.
»Sie war weg!«
»Woher wisst ihr das?«
»Wir sind hinaufgegangen«, sagte das ältere Mädchen von vorhin.
»Wir haben uns angeschlichen und durch die Fenster gesehen, aber sie war weg. Sie war wirklich weg; wir sind reingegangen und haben nach ihr gesucht. Die Tür war nicht verschlossen. Sie hat ihre Schuhe zurückgelassen.«
»Und was habt ihr mit den Schuhen gemacht?« Das war dumm formuliert. Sie blickten ihn entrüstet an und riefen im Chor:
»Überhaupt nichts!«
»Jede Wette«, versuchte Markby, seinen Fehler zu
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