Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
stieß Meredith heftig hervor.
»Ich habe unten bei der Grabung gearbeitet. Ich habe dabei geholfen, die Gräben wieder aufzufüllen. Sehen Sie …« Sie hielt ihre Hände vor und zeigte ihm die Blasen.
»Ich … ich wollte nur einen Blick auf dieses Haus hier werfen, bevor ich nach Bamford zurückgefahren wäre.«
»Frauen machen nichts als Scherereien!« Er ignorierte ihre Erklärung.
»Die Ursache für alle Missetaten und Irrungen des Mannes. Seit dem Sündenfall ist das so. Eva gab Adam den Apfel, und der arme Dummkopf nahm ihn und aß davon! Mit Brian ist’s genau das Gleiche. Er hat einfach nicht genügend Verstand, um auf sich aufzupassen, wenn es um Frauen geht. Immer sind Frauen der Grund für den Untergang eines Mannes.«
»Blödsinn!«, fauchte Meredith.
»Ein Haufen dummes Zeugs! Das ist finsterstes Mittelalter! Männer sind auch ohne Frauen ganz gut in der Lage, Fehler zu machen! Nur mögen sie es, wenn sie jemandem die Schuld dafür in die Schuhe schieben können.« Sie hatte eigentlich nur seine Argumente widerlegen wollen, doch sie bemerkte augenblicklich, dass sie ihn irgendwie härter getroffen hatte als beabsichtigt. Lionels Gesicht verdunkelte sich vor Zorn, und das Glitzern seiner Augen nahm zu.
»Sie leiten den Mann in die Irre! ’s ist der Geruch ihrer Haut und die Art und Weise, wie sie sich bewegen! Ein Mann kann seine Instinkte nicht kontrollieren! Und wenn ein Mann gottesfürchtig ist, dann ist es nicht nur sein Körper, der befleckt wird, sondern auch seine Seele ist in Gefahr!« Die Situation war alles andere als angenehm. Die Wände des alten Baus waren dick, die Fenster klein, die einzige massive Tür verriegelt und der Weg zu ihr durch Lionel versperrt. Er war zwar alt, aber kräftig, und lebenslange körperliche Arbeit hatte ihn hart gemacht. Außerdem, dachte Meredith düster, ist er eindeutig vollkommen übergeschnappt, zumindest, was Frauen betrifft. Und Meredith war – diesmal unglücklicherweise – eine Frau. Wenn es ihr nur gelang, ihn irgendwie nach draußen zu locken. Die beiden Männer unten bei der Grabung würden vielleicht ihre Schreie hören, oder sie könnte den Hügel hinunterrennen, und sie würden Meredith sehen.
»Mr. Felston«, begann sie.
»Vielleicht sollten wir zur Farm zurückkehren.« Unwahrscheinlich, dass ihre Worte zu ihm durchdrangen. Er schien in eine eigene Welt entrückt und hatte angefangen zu schwanken.
»Sie haben weiße Haut und riechen nach Parfum!« Zu seinem Schwanken kam ein monotones Summen, als versuchte Lionel, sich an eine Melodie zu erinnern, ohne dass es ihm gelang. Meredith überlegte, ob sie sich vielleicht an ihm vorbeischieben könnte. Vielleicht war er in eine Art Trance gefallen, trotz aller Wachheit in seinen Augen. Doch dann hörte sie draußen das Geräusch eines Wagens, ganz in der Nähe. Irgendjemand hatte an der Stelle angehalten, wo sich der Weg gabelte. Ob er hierher kommen würde? Meredith hielt den Atem an. Dann rüttelte jemand am Türgriff, und bevor Lionel sie daran hindern konnte, rief sie:
»Hier drin! Wir sind hier drin!« Sie stürzte an dem Alten vorbei, schob den Riegel zurück und riss die Tür auf, bevor er dazwischengehen konnte. Erwartungsvoll blickte sie nach draußen. Sie wusste nicht, wer es sein mochte. Doch als die Tür offen stand, entdeckte sie – nicht überrascht – Brian Felston. Er trat an ihr vorbei in das Zimmer und blickte von einem zum anderen.
»Onkel Lionel?« Seine Stimme schnitt laut und klar durch das monotone Summen aus Lionels Kehle. Lionel blinzelte und schien seine Umgebung wieder wahrzunehmen. Er drehte seinen Prophetenkopf und musterte seinen Neffen.
»Du bist es, Junge.« Brian sah verärgert und, wie Meredith dachte, besorgt aus.
»Was für einen Unsinn hast du jetzt wieder angestellt?« Er musterte Meredith mit einem Seitenblick.
»Alles in Ordnung mit Ihnen, Miss, wie war noch gleich der Name, Mitchell?«
»Ja, danke sehr. Ich glaube, Ihr Onkel ist ein wenig, äh, durcheinander.«
»Du gehst nach Hause, Onkel Lionel!«, sagte Brian bestimmt.
»Ich werde dich nicht allein lassen!«, erklärte Lionel.
»Nicht mit dieser Frau. Sie wird dich vom rechten Weg ablenken!«
»Geh nach Hause!«, bellte Brian. Lionel blinzelte erneut, und zu Merediths ausgesprochener Überraschung marschierte er gehorsam aus dem Raum. Brian wandte sich heftig atmend zu ihr um.
»Was zur Hölle machen Sie hier?«
»Ich … ich wollte nur …« Was konnte sie sagen?
»Ich reise bald
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