Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
nach, und sie wollte dabei nicht gestört werden. Ich dachte bereits an diesen alten Kasten hier, während sie noch erzählte, und ich sagte ihr, dass sie hier wohnen könnte. Es war warm und trocken, und ich würde dafür sorgen, dass sie zu essen hätte. Ich sagte ihr, dass das Haus allerdings ganz in der Nähe der Stelle liege, wo ihr Ehemann und seine Geliebte arbeiteten, weiter unten am Hügel. Ich rechnete damit, dass ihr der Gedanke vielleicht nicht zusagen würde. Aber Natalie lachte nur und sagte, es wäre bestimmt lustig, wenn sie sich hier oben versteckt hielte und die beiden beobachtete, ohne dass jemand davon wüsste. Es war wohl eine Art Rache oder so. Jedenfalls sagte sie sofort: ›Komm, Brian, genau das machen wir! Das wird ein irrsinniger Spaß.‹« Brian zuckte die Schultern.
»Und ich wollte ihr helfen. Ich wollte, dass sie sich an diesem Mistkerl und seiner Schlampe rächt, also brachte ich sie her und versteckte sie hier. Und es waren … es waren ein paar wundervolle Tage.« Seine Stimme füllte sich mit einer Art wehmütiger Verwunderung, und Meredith spürte einen Anflug von Mitleid.
»Ich hatte sie ganz für mich allein, verstehen Sie? Ich bin jeden Abend hergekommen, und wir haben miteinander geredet. Sie war nicht gern allein im Dunkeln, ganz besonders, nachdem die Hippies ihr Lager aufgeschlagen hatten. Und Onkel Lionel ist nie nach Mott’s Folly gegangen, deswegen habe ich gedacht, er würde nichts merken.« Bestimmt habt ihr nicht nur hier gesessen und geredet, dachte Meredith angesichts der Chaiselongue, auf der sie saß. Bestimmt ist mehr passiert, kein Zweifel. Armer Brian. Leise fragte sie:
»Und was geschah dann?« Er wollte gerade antworten, als plötzlich das Motorengeräusch eines weiteren Fahrzeugs zu hören war, das den Feldweg heraufkam. Dann Männerstimmen. Meredith hörte jemanden rufen:
»Brian? Sind Sie dort drin?«, und zu ihrer Überraschung erkannte sie Markbys Stimme. Brian sprang auf und rannte zur Tür. Meredith folgte ihm. Markby stand draußen, zusammen mit Sergeant Pearce und einem Constable. Ein Streifenwagen stand am Ende des Fußwegs, an der Stelle, wo er in den Feldweg mündete. Die Sonne ging gerade hinter dem Hügel unter, und das Dach des Streifenwagens funkelte in rosafarbenem Licht. Alan sah abgehetzt aus. Er blickte Meredith voller Überraschung an.
»Was machst du denn hier?«
»Brian und ich haben uns unterhalten. Alan, ich glaube …«
»Schon gut. Überlass alles mir. Brian, ich denke, Sie sollten mit uns nach Bamford kommen. Wir sollten uns unterhalten, auf dem Revier.«
»Also gut«, antwortete Brian gedehnt.
»Ist das Ihr Wagen dort?« Sie machten sich auf den Weg. Der Pfad war schmal, was bedeutete, dass sie hintereinander gehen mussten. Der Constable führte die kleine Gruppe an, dann folgte Brian, hinter ihm Markby und Pearce, und Meredith bildete den Schluss. Als sie den Streifenwagen erreichten, konnte sie Brians LandRover sehen, der dahinter geparkt stand. Brian blieb stehen.
»Besser, ich gehe noch einmal zur Farm hinauf und sage Onkel Lionel Bescheid.«
»Sie können ihn vom Revier aus anrufen«, entgegnete Markby. Brian widersprach nicht und nickte nur. Er ging weiter, und ohne Vorwarnung rannte er los. Er war schnell, und das Überraschungsmoment war auf seiner Seite. Der Constable brüllte und sprang hinterher, doch er stolperte und fiel hin.
»Nicht, Brian!«, rief Meredith.
»Machen Sie das nicht!« Doch Brian rannte über die Wiese und sprang in seinen Land-Rover. Der Motor heulte auf, und Brian jagte mit halsbrecherischer Geschwindigkeit hüpfend und springend den schlaglochübersäten Feldweg hinunter zur Hauptstraße. Markby, Pearce und der Constable rannten zu ihrem Wagen und nahmen die Verfolgung auf. Meredith fand sich plötzlich allein auf dem Hügel wieder, vergessen von Gott und der Welt. Alles hatte sich in einem Zeitraum von wenigen Minuten abgespielt. Sie war noch immer benommen von der Art und Weise, wie sich die Ereignisse überschlagen hatten, doch dann riss sie sich zusammen und rannte den Hügel hinab zu der Stelle, wo ihr eigener Wagen stand. Für sie war es zwar zu spät, um noch an der Jagd teilzunehmen, aber nicht, um das Ende zu erleben. Hoffte sie wenigstens.
»Wohin will er?«, ächzte Pearce und klammerte sich am Armaturenbrett fest.
»Nach Bamford. Jedenfalls sieht es danach aus«, sagte der
Constable am Lenkrad.
»Lassen Sie ihn bloß nicht entwischen, um Gottes willen!«, fauchte
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