Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
und ein Teil seiner Aggressivität schien von ihm zu weichen.
»Ich muss nur das Gesicht ansehen, richtig?«
»Richtig. Sind Sie bereit?« Fuller schlug das Tuch zurück. Es war stets ein schlimmer Augenblick für Markby, wenn ein Nahestehender den Leichnam des Verstorbenen identifizieren musste. Es musste getan werden, aber sicher hinterließ es bei vielen der Betroffenen eine Erinnerung, die sie für den Rest ihres Lebens verfolgte. Woollards Gesicht wurde aschfahl; er wirkte wie betäubt, und Markby musste den Mann nicht erst fragen. Er wusste Bescheid.
»Ja. Das ist Natalie«, sagte Woollard mit erstickter Stimme. Er hielt inne und verbesserte sich dann pedantisch:
»Das war Natalie. Meine Frau.« Und fast mit einer Spur von Erleichterung fügte er hinzu:
»Also ist sie tatsächlich endlich tot.« Womit es ihm gelang, selbst den unerschütterlichen Dr. Fuller aus der Fassung zu bringen. Der Doktor zog das Tuch mit einer hastigen, schützenden Bewegung wieder über das Gesicht der Toten.
»In Ordnung«, sagte Markby zu ihm.
»Jetzt können Sie die Leiche mitnehmen.«
Sie blickten dem Krankenwagen hinterher, der den Kiesweg hinauf zurück zur Hauptstraße rumpelte. Markby sah sich um. Seine Leute hatten bereits angefangen, die Halde nach Beweisen abzusuchen. Die Meldung von der Leiche war kurz nach seinem Telefonat mit Toby Smythe eingetroffen. Der Wirt eines in der Nähe gelegenen Pubs hatte angerufen und erklärt, dass die Information von dem alten Burschen stammte, der oberhalb des Steinbruchs lebte und, wie es der Wirt ausdrückte,
»nicht mehr alle Tassen im Schrank hatte.« Nichtsdestotrotz hatte sich angesichts der Nachricht wieder einmal dieses kalte, hässliche Gefühl in Markbys Magengrube ausgebreitet, und sofort waren die Beamten zum Steinbruch aufgebrochen.
Der Steinbruch erschien Markby als ein merkwürdiger, surrealer Ort, an dem alles Mögliche geschehen konnte, und sicherlich brauchte er sich keine Hoffnung zu machen, im Augenblick eine logische Erklärung für den Fundort der Leiche finden zu können. Im Schatten des Eisencontainers standen zwei weggeworfene Lehnsessel, die der Szene unpassenderweise eine vornehme Note verliehen. Markby sah Woollard an, der sich mit einem karierten Taschentuch den Schweiß von der Stirn wischte.
»Es ist sehr heiß, Mr. Woollard«, sagte er,
»und Sie haben einen ziemlichen Schock erlitten. Aber vielleicht könnten wir uns trotzdem kurz unterhalten?« Er deutete auf die beiden Sessel.
»Warum setzen wir uns nicht dort drüben in den Schatten?«
Woollard folgte ihm wortlos und ließ sich in einen der Sessel fallen. Fliegen aus dem Müll im Container über ihnen surrten um sie herum. Woollard warf einen teilnahmslosen Blick auf die Beamten, die die Müllhalde durchstöberten.
»Wonach suchen sie?«
»Nach Beweisen oder Indizien. Wir würden beispielsweise gerne die Schuhe Ihrer Frau finden. Erinnern Sie sich vielleicht, welches Paar sie getragen hat, als Sie Ihre Frau zum letzten Mal gesehen haben?«
»Nein. Aber wahrscheinlich Sandalen. Sie trägt im Sommer immer Sandalen.«
»Slipper oder Riemensandalen mit Schnalle? Mit Absätzen oder flach?«
»Ich weiß es nicht. Ich kann mich nicht erinnern!«, brüllte Woollard.
»Keine Riemen, nein! Slipper. Ich glaube nicht, dass sie welche mit Schnallen hatte. Und ich weiß auch nicht, ob sie welche mit Absätzen besaß.«
»Danke sehr«, sagte Markby.
»Das war sehr hilfreich.« Woollard faltete die gewaltigen Hände und starrte zu Boden.
»Wir hatten Krach. Das war nicht ungewöhnlich. Wir hatten ständig Krach. Fragen Sie jemanden, der uns kennt. Sie ist rausgestürmt und hat die Haustür hinter sich zugeworfen. Ich dachte, sie würde spätestens in einer Stunde oder so zurückkommen und klingeln. Ich wusste, dass sie keine Schlüssel und kein Geld mitgenommen hatte. Und es war nicht das erste Mal. Normalerweise ist sie ein wenig durch die Gegend gelaufen, und wenn sie sich wieder beruhigt hatte, kam sie nach Hause. Als sie nicht kam, nahm ich an, sie wäre bei einer Nachbarin. Dann dachte ich, sie hätte jemanden überredet, sie nach Bamford zu ihrer Mutter zu fahren. Vielleicht hat sie auch ein Taxi genommen und sich das Geld von Amy geliehen.« Er blickte Markby an.
»Ich habe sie nicht umgebracht!«
»Haben Sie nicht Natalies Mutter angerufen, um sich zu überzeugen, ob Ihre Frau dort ist?«
»Nein, verdammt!« Woollard schob aggressiv den Unterkiefer vor.
»Ich dachte: Warum zur Hölle
Weitere Kostenlose Bücher