Wer Andern Eine Grube Gräbt: Mitchell& Markbys Fünfter Fall
nicht?«
»Ja«, gestand Markby.
»Das tun sie gewiss.«
KAPITEL 12
Meredith hatte ihre Aussage gegenüber WPC Morgan zu Protokoll gegeben und die junge Frau dabei um ihre professionelle Distanziertheit beneidet. Als Meredith fertig war, wanderte sie mit den Händen in den Jeanstaschen davon und beobachtete die Szene rings um sich herum. Jackson stand zusammen mit zwei Polizisten an dem Grab, in dem das Skelett lag. Die Plane war teilweise zur Seite geschlagen, und die beiden uniformierten Männer starrten nachdenklich auf den knochigen Bewohner.
»Der verdammte Coroner war informiert!«, heulte Jackson und fuchtelte mit den Armen.
»Ihr Chief Inspector weiß Bescheid! … Nein!« Einer der Beamten hatte sich gebückt, um einen genaueren Blick auf das Skelett zu werfen.
»Fassen Sie es bloß nicht an! Es ist tausend Jahre alt, um Gottes willen!« Der junge Beamte zuckte zurück, als wäre er gebissen worden, und sein Kollege fragte mit einem Blick auf die umliegende Grabungsstätte:
»Wie viele von diesen Dingern mögen hier noch in der Erde liegen, Sir?« Renee und die beiden jungen männlichen Helfer saßen im Gras und tuschelten miteinander. Karen Henson saß ein wenig abseits, allein bis auf ihren hündischen Begleiter. Sie hatte den Arm um den Hals des Tiers gelegt. Tränen rannen über ihr schlichtes Gesicht, und ihre Nase schälte sich vom Sonnenbrand. Der Basthut lag im Gras. Meredith ging zu ihr.
»Kopf hoch«, sagte sie ein wenig betreten.
»Sie haben Dan mitgenommen!« Der Hund gab ob des Elends in der Stimme seiner neuen Freundin ein leises Jaulen von sich, stupste mit der Nase gegen ihr Ohr und leckte es anschließend tröstend mit seiner rosa Zunge.
»Nun, es ist … es ist nur Routine. Die Polizei vernimmt jeden von uns.« Karen wirkte wenig überzeugt. Sie nahm den Hut von der Wiese auf. Meredith, in dem Bemühen, Karen ein wenig abzulenken, sagte:
»Das ist ein hübscher alter Hut. Er ist bestimmt aus den Dreißigern. Wo haben Sie den gefunden?« Karen betrachtete den Hut.
»Auf einem Dachboden.« Sie glättete eine der Bastblumen.
»Ich mag die Sachen aus dieser Zeit. Sie waren so romantisch, all diese geschmeidigen Abendkleider und die hautengen Röcke. Nichts für mich, weil ich keine Figur dafür habe. Man musste sehr schlank und biegsam sein dafür. Bestimmt hat es auch damals schon Frauen wie mich gegeben – große, plumpe Dinger, die keine schicken Sachen anziehen konnten.«
»Hey!«, tadelte Meredith.
»Sprechen Sie nicht auf diese Weise von sich. Ich bin fünf Fuß zehn groß, aber ich laufe auch nicht durch die Gegend und stöhne über meine Körpergröße! Ich suche einfach nach der Kleidung, von der ich hoffe, dass sie mir steht. Warum sollten Sie das nicht ebenfalls können?« Die junge Frau neben ihr antwortete mit einem überraschend weisen Blick. Es war der Blick einer Person, die viel Leid erfahren hatte.
»Weil ich nicht einmal wüsste, wie ich die Kleider tragen soll, wenn ich sie hätte! Ich sehe in allem unmöglich aus!« Sie drehte die Hutkrempe in den Händen.
»Deswegen mag ich die alten Dinge. Sie verurteilen einen Menschen nicht, verstehen Sie? Es ist, als hätten sie schon alles gesehen und als wüssten sie alles, und sie sind trotzdem freundlich. Dinge können nämlich freundlich sein, wissen Sie? Dieser Steinbruch dort unten …« Sie hob eine kalomelverschmierte Hand und deutete hinunter.
»Ich habe immer gedacht, was für ein wunderbarer Ort voller Abfall, der für Menschen wie uns nicht einmal Abfall ist. Irgendwann in der Zukunft werden andere diesen Steinbruch ausgraben, um herauszufinden, wie wir in unserer Zeit gelebt haben.«
»Sie würden gut mit Finny zurechtkommen«, stellte Meredith fest.
»Er glaubt nämlich felsenfest, dass alles dort unten wertvoll ist.«
»Ich habe mich mit dem alten Mann unterhalten. Er ist komisch und nett.« Ihr Gesicht wurde dunkel.
»Ich werde nie wieder so darüber denken, nicht, nachdem das alles geschehen ist!« Ganz offensichtlich untröstlich, setzte sich Karen den Basthut auf und rappelte sich auf die Beine.
»Nein! Du bleibst hier!«, befahl sie dem Hund, als das Tier Anstalten machte, ihr zu folgen. Der Labrador protestierte jaulend und winselte, während er seiner Freundin hinterherblickte, die über die Wiese davonschritt. Meredith tätschelte seinen Kopf.
»Wir können ihr nicht helfen, fürchte ich, alter Knabe. Komm mit mir.« Der Hund zögerte zunächst, doch dann trottete er hinter Meredith
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