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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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verzweifelt.
    »Nein, ich überlege ja nur. Das macht auch die Polizei, wenn sie keine Anhaltspunkte hat. Sie wissen sicher so allerlei über Leute, die kleine Kinder fressen.«
    »Fressen?«, fragte sie entsetzt.
    »Das war nur ein Bild«, sagte er lächelnd. »Du darfst nicht alles so ernst nehmen. Aber eins steht fest, Jonas August ist schon ein richtiger kleiner Promi. Auch im Ausland wird viel über ihn geschrieben, und in der norwegischen Kriminalgeschichte ist er einzigartig. Du weißt doch, die holen sich sonst immer Mädchen. Ihre Frauen und Freundinnen. Oder Exfreundinnen. Das hier ist etwas anderes. Aber das verstehst du nicht«, sagte er plötzlich. »Du verstehst nicht, wie besonders das ist.«
    Kristine schnitt die Leber in dünne Streifen.
    »Doch«, sagte sie müde. »Es ist etwas Besonderes. Mir ist richtig schwindlig«, gab sie zu.
    »Und wir gehören dazu.«
    »Das tun wir nicht.«
    »Du willst das nicht«, korrigierte er. »Das ist etwas anderes. Du willst einfach weitermachen, du willst vergessen. Das ist typisch weiblich, ihr weicht allen Konflikten aus.«
    »Ja«, sagte sie, »ich will weitermachen. Du bist doch total außer dich geraten. Wir können nichts tun, Reinhardt, überlass das alles der Polizei.«
    »Ich hab’s mir doch gedacht«, sagte er, »du erkennst den Ernst der Lage nicht. Aber du und ich, wir können ihn identifizieren, wir können bestätigen, dass er am Tatort war, oder jedenfalls einige Meter davon entfernt. Verstehst du nicht, wie entscheidend wir sind? Die Polizei braucht uns, überleg dir das mal, die können ihn für einundzwanzig Jahre einbuchten!« Jetzt klang er dramatisch, seine Stimme wurde immer schriller.
    Sie schaltete den Herd ein, gab Butter in die Pfanne.
    »Ich kann mich fast nicht mehr daran erinnern, wie er ausgesehen hat«, sagte sie. Reinhardt sah sie ungläubig an. »Und das sagst du? Wo du dir doch so sicher warst? Was Kleider und Aussehen und alles anging? Hans Christian Andersen hast du gesagt, nicht wahr? Hans Christian Andersen, ausgerechnet.«
    »Na gut«, sagte sie unwillig, »aber jetzt bin ich nicht mehr sicher, in keiner Hinsicht.«
    Reinhardt schlug die Arme übereinander. »Aber ich, ich bin sicher. Und ich habe einen guten Blick.«
    Die Butter wurde braun, sie legte die Leber hinein, der Duft breitete sich in der Küche aus.
    »Mit seinen Eltern kann etwas nicht gestimmt haben«, sagte Reinhardt nachdenklich.
    Sie schaute ihn über ihre Schulter an.
    »Wieso das?«
    »Weil er pervers geworden ist.«
    »Das wissen wir doch nicht sicher?«, fragte sie, »ob mit seinen Eltern etwas war?«
    »Man ist doch nicht ohne Grund so kaputt«, sagte er.
    Sie salzte und pfefferte die Leber, nahm den Duft in sich auf.
    »Es geht darum, zur falschen Zeit am falschen Ort zu sein«, sagte Reinhardt dann. Er lehnte jetzt mit dem Rücken an der Anrichte und schüttelte wehmütig den Kopf. »Ich meine den kleinen Jonas August. Der gerade an diesem Tag die Straße entlang ging, zu der Zeit, als der andere angefahren kam. Das ist wirklich ein Schicksal.«
    Kristine drehte die Leber in der Pfanne, die Fleischstreifen hatten eine feine Kruste bekommen.
    »Ich glaube ja nicht, dass das vorherbestimmt war«, sagte sie. »Vielleicht hatte er das nicht einmal geplant, vielleicht kam er einfach vorbei und handelte aus einem Impuls heraus.«
    »Das glaube ich auch«, sagte Reinhardt, »dass es hier um fehlende Impulskontrolle geht.«
    »Hast du die Bilder gelöscht?«, fragte sie.
    Er warf den Kopf in den Nacken. »Warum nervst du immer mit den Bildern herum?«
    »Hast du sie im Büro gezeigt?«
    Sie schwenkte den Bratenwender.
    »Und wenn schon? Ich versteh nicht, warum du dich so aufregst, die Leute sind eben neugierig.«
    Sie drehte sich wieder um, sprach mit schmalem, abweisenden Rücken zu ihm.
    »Es ist aber nicht der Sinn der Sache, dass Gott und die Welt solche Bilder sehen«, sagte sie.
    »Und wer hat das entschieden?«
    Plötzlich fühlte sie sich müde. Sie lehnte sich an den Herd, spürte die Hitze der braunen Butter im Gesicht.
    »Der ganz normale Anstand«, flüsterte sie. »Schon mal davon gehört?«
    18
     
    Er zog die alte Lederjacke an, sie war dermaßen abgenützt, dass er sich armselig vorkam, aber darauf konnte er keine Rücksicht nehmen. Seine Haare waren ebenfalls ungepflegt, er war schon lange nicht mehr beim Friseur gewesen, seine Rente reichte nicht aus, immer musste er sparen. Jetzt musste er aus dem Haus, musste mit dem weißen Wagen durch

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