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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Villeroy & Boch. Sie haben mich achthundert Kronen gekostet. Lassen Sie mich aber hinzufügen, dass sie im Laden vierzehnhundert verlangt hätten. Und ich konnte sie ja nicht einmal vorzeigen, ich hätte ja so gern Tee für Sie gekocht. Ich habe die Quittung noch irgendwo, und der Verkäufer wird sich an mich erinnern, das weiß ich einfach. Ich kann die Klappe nicht halten, ich weiß, dass ich auffalle, aber ich habe keine Lust, mich deswegen zu schämen.«
    Er strich sich den Haarflaum aus der Stirn. Die ganze Zeit dieses strahlende Lächeln, dieses lebhafte Wesen.
    Dann begleitete er sie hinaus auf die Treppe. Er klopfte Skarre auf die Schulter und hielt sie mit Gerede auf, so lange er konnte.
    »Du meine Güte, es bringt ja soviel Energie, mit anderen zusammenzusein«, sagte er.
    »Wenn ein Gerücht aufkommen sollte«, sagte Sejer, »dann rufen Sie uns an, nicht wahr?«
    »Natürlich tu ich das, ich werde sofort zum Telefon stürzen. Aber es wird kein Gerücht aufkommen. Dieser hier wird noch sehr lange unsichtbar bleiben.«
    16

 
    Er hatte mit der roten Hose an der Wange geschlafen.
    Jetzt fiel ihm auf, dass der Duft, dieser verführerische, säuerliche Duft, wie eine Mischung aus Meerwasser und süßen Äpfeln, langsam verflog. Er presste die Hose an seine Nase, seine Augen fielen wieder zu. Lange lag er mit einem Gefühl von Trauer und Sehnsucht da, einem Gewicht, das ihn gegen die Matratze presste. Die Sonne drang durch einen Vorhangspalt ins Zimmer, sie wärmte seine Wange. Seine Augen brannten. Er dachte an den Jungen, den er durch den Wald getragen hatte, an dem schmächtigen Körper hatte es kein Fett gegeben, nur Haut und Knochen, nur blaue Adern und winzige marmorblanke Nägel, und er dachte, in seiner Phantasie, dass an so einem kleinen Jungen doch vieles essbar sei, Finger, Ohrläppchen, Zehen. Er verdrängte diese Gedanken, sie machten ihm Angst, sie waren herrlich und verboten und geheim. Er stand auf und ging in die Küche, schaute in den Kühlschrank, es war fast nichts zu essen mehr da, er war nicht aus dem Haus gegangen. Er fand nur vertrocknete Wurstreste und eine Schale mit ranziger Butter. Das Brot war hart und von blaugrünem Schimmel überzogen. Aber er hatte noch einen Liter Milch und ein Glas Himbeermarmelade. Er mischte Milch und Marmelade in einem Einmachglas, drehte den Verschluss darauf und schüttelte, und als alles gut gemischt und die Milch rosa war, hob er das Glas an den Mund, es schmeckte gut. Eine Weile blieb er dann neben dem Küchentisch stehen und spürte, dass das süße Getränk ihm Kraft gab. Ihm wurde klar, dass die rote Hose verschwinden musste. Die Turnschuhe waren schon weg, die hatte er unten im Zentrum in eine Recyclingtonne geworfen. Wenn die Polizei kam, würde sie das Haus auf den Kopf stellen, dieser Tatsache musste er sich stellen, aber er brachte es nicht über sich, die Shorts wegzuwerfen. Entschlossen ging er ins Schlafzimmer, holte die Hose, rollte sie zu einer harten Wurst zusammen, stopfte sie in eine Cornflakespackung und stellte die ganz hinten in den Schrank. Das fand er clever. Dort werden sie nicht suchen, dachte er. Nachts, wenn er schlafen ging, würde er die Hose hervorholen und mit ins Bett nehmen. Denn in der Nacht würden sie nicht kommen, da war er sich sicher, die Nächte gehörten ihm, die, die ihm noch in Freiheit blieben. Er ging zum Fenster. Er öffnete die Vorhänge einen Spaltbreit und schaute hinaus auf den Hofplatz, auf die rote Scheune. Ein blauer Traktor stand auf dem Hof und ein Ahornbaum mit einer üppig wogenden Krone. Er wohnte nun schon seit Jahren zur Miete im Altenteil, es war über hundert Jahre alt und in einem sehr schlechten Zustand. Die Schlafzimmerwände waren von glitschigem Schimmel bedeckt, er hatte gehört, dass dieser Schimmel ein möglicherweise giftiges Gas absonderte. Nicht, dass ihm das etwas ausgemacht hätte, sein Leben war ja doch nicht viel wert, er klammerte sich wirklich nicht an das Dasein. Es gab auch kein Badezimmer, nur ein altes Duschkabinett in einer Ecke der Küche, mit einem morschen, gelben Plastikvorhang, der mit Stockflecken übersät war. Aber das Haus hatte eben doch etwas, es hatte Geschichte und Charme. Fenster mit kleinen Sprossen und breitem Rahmen, dicke Deckenbalken. Vor dem Eingang wuchs Hopfen. Das Altenteil lag in einer Senke, oben auf dem Hügelkamm thronte ein großes, weißes Haus. Dort wohnte der Hofbesitzer mit seiner Frau und seinen vier Töchtern. Die Töchter lagen im

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