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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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Junge und überlegt sich wirklich immer genau, was er tut. Er will ehrlich sein, er will der Beste sein. Er will am härtesten trainieren und niemand soll etwas an ihm auszusetzen haben.«
    »Ehrgeizig?«
    Sejer nickte. »Das muss er sein, er kommt doch aus Somalia. Er muss sich doppelt so sehr anstrengen wie andere, er muss jeden Tag von Neuem seinen Platz verteidigen.«
    »Ich verstehe, was du meinst«, sagte Skarre, »aber die meisten Menschen wachsen mit irgendeiner Belastung auf. Mein Vater war Pastor, er hat ungeheure Ansprüche an mich gestellt und nie verwunden, dass ich nicht Theologie studieren wollte. Ich bin mir deshalb oft wie ein Verräter vorgekommen, es prägt meine ganze Persönlichkeit, dass ich ihn so tief enttäuscht habe, dass er mit dieser Trauer ins Grab gegangen ist. Wenn Matteus nicht schwarz wäre, würde ihn vielleicht etwas anderes durch das Leben hetzen.«
    »Da hast du wohl recht«, sagte Sejer. »Und der Mann, den wir suchen, hat sicher ebenfalls eine Erklärung dafür, warum es passiert ist, das mit Jonas. Aber es ist trotzdem ziemlich einfach, wenn du mal überlegst. Absolut alle müssen sich an die norwegischen Gesetze halten.«
    20
     
    8. September.
    Edwin Åsalid stand am Fenster und schaute hinaus.
    Er bemerkte, dass die Bäume ihre Farbe änderten, dass das Laub nicht mehr grün war, sondern rot und gelb. Nebelfetzen trieben über das Haus wie gespenstische Schleier, vielleicht passiert etwas Unheimliches, dachte er. Seine Mutter war mit Kochen beschäftigt, als sie ein glückliches Heulen hörte, danach schwere Schritte. Er kam zu ihr in die Küche gewatschelt, sein umfangreicher Leib zitterte vor Eifer und Begeisterung. Ein Geräusch zerriss die Stille im Haus, das vertraute Geräusch einer lauten, schrillen Glocke.
    »Der Eiswagen«, keuchte Edwin. »Der Eiswagen kommt. Darf ich eine Schachtel Royal kaufen, Mama? Bitte, bitte?« Er packte ihr Handgelenk und zog an ihrem Arm, wie ein Hundebaby, das unbedingt spielen will. Tulla Åsalid riss ihre Hand los und verschränkte die Arme. Ihr Gesicht verzog sich besorgt, denn sein Übergewicht war bedrohlich und wurde im Rekordtempo schlimmer. Jetzt wollte er Eis, er flehte, er schwankte von einem Fuß auf den anderen, seine Fäuste schlossen und öffneten sich.
    »Edwin«, sagte sie müde, »darüber haben wir doch geredet.«
    »Aber Mama«, flehte er, »nur eine Schachtel!«
    Seine Augen suchten die der Mutter. Tulla Åsalid überlegte. Sie dachte daran, was die Ärzte sagten, dass sie seine Ernährung umstellen müsste, um seine Gesundheit zu erhalten, dass er schon fast neunzig Kilo wog. Aber jetzt bettelte er, und sie versuchte, standhaft zu bleiben. Wieder packte er ihr Handgelenk, seine braunen Augen funkelten.
    »In einer Schachtel sind zwanzig Stück«, erklärte er eifrig, »und das ist nicht viel Fett, Mama, dieses Eis wird doch aus Milchpulver gemacht.«
    Tulla Åsalid musste sich abwenden. Seine braunen Augen hatte eine eigene Macht über sie, sie wollte entkommen. Sie wollte gern fest, klug und entschieden sein, aber er war ihr Kind und das Band zwischen ihnen war stark wie eine Schiffstrosse. Sie wurde schwach und willenlos, berauscht von der Nähe, verführt davon, dass er sie brauchte, und sie fand es wunderbar, auf Knien angefleht zu werden.
    »Was kostet das?«, fragte sie müde.
    »Einhundertzwanzig Kronen«, sagte Edwin. »Das ist ein Schnäppchen.«
    Sie musste über diese Formulierung lächeln. Trotzdem ging sie nur schweren Herzens zur Schublade, wo ihre Brieftasche lag, nahm einen Geldschein heraus und fand in einem Glas ein paar Münzen. Edwin riss ihr das Geld aus der Hand und lief davon, so schnell wie sein fetter Körper es gestattete. Sie selbst ging zum Fenster, wieder hatte sie eine Niederlage erlitten, aber daran war sie gewöhnt. Sie sah das große, hellblaue Auto, das ein Stück weit entfernt hielt, und jetzt kam Edwin angelaufen, er schwankte über die Straße wie ein zu schwer beladenes Schiff. Wenn er lief, schob er den Brustkasten vor, dann kamen Schultern und Kopf, schließlich wurde er vom Fett eingeholt, er wogte wie eine Welle daher. Der Fahrer stieg aus dem Auto, der Anblick des großen Jungen entlockte ihm ein Lächeln. Tulla wandte sich vom Fenster ab und ging zum Spiegel in der Diele, auch sie war ein wenig übergewichtig, aber das Schicksal hatte es gut mit ihr gemeint und das Fett sorgfältig verteilt. Sie hatte üppige, schöne Kurven, ihr Busen war hoch, die Hüften breit, aber sie

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