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Wer anders liebt (German Edition)

Wer anders liebt (German Edition)

Titel: Wer anders liebt (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Fossum
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so ganz, was seine Mutter sich dabei denkt. Ein bisschen Rohkost wäre vielleicht nicht fehl am Platz.«
    Skarre legte den Notizblock auf den Tisch.
    »Ja, wenn das so einfach wäre«, sagte er mit einem strahlenden Lächeln, weshalb Naper die Ironie nicht bemerkte.
    »Ich habe versucht, das mit den Kindern zu verstehen«, sagte er. »Ich meine, mit den Männern. Die es auf Kinder abgesehen haben. Naja, vielleicht ziehen sie eben Kinder vor, und der Sexualtrieb ist ja stark, bei manchen lässt er sich vielleicht nicht lenken. Wie bei meinen Tölen«, er grinste. »Aber sie haben doch sicher ein Gehirn, wie andere Leute, sie wissen, dass das, was sie tun, einfach verwerflich ist. Sie wissen, dass es strafbar ist und dass die Kinder vielleicht für ihr Leben zerstört werden. Wie können sie sich so an erste Stelle setzen?«
    Sejer kehrte zum Sofa zurück, die Hunde ließen ihn nicht aus den Augen.
    »Es ist eben so in unserer Welt, dass einige tun, was sie wollen«, sagte Sejer.
    »Was machen Sie, wenn er sich noch ein Kind schnappt?«
    Naper zupfte sich am Bart und sah seine Besucher herausfordernd an.
    »Wir machen weiter unsere Arbeit«, sagte Sejer.
    »Dass wir so ein Drama erleben«, sagte Naper, »auf diese Idee wäre ich wirklich nicht gekommen, als ich mit den Tölen unterwegs war. Ich habe sie auf dem Weg zum Svartåsen gesehen, einer hat gewinkt. Und weil ich ein alter Fotograf bin, habe ich ein bisschen genauer hingesehen. Das Licht über dem Bonnafjord war an dem Tag phantastisch, und ich dachte, was für ein wunderbares Motiv.
    Drei Knaben, dicht nebeneinander auf einer Brücke.«
    31
     
    Die Blätter fielen von den Bäumen, langsam und traurig wirbelnd, der Oktober kam mit schwarzen, kühlen Nächten. Sejer saß vor den Zeugenaussagen, er ging die Ergebnisse der Befragungen in Huseby durch, wo alle Besitzer eines weißen Autos einige einfache Angaben hatten machen müssen. Das alles hatte nichts gebracht. Sie hatten in den Registern nach Granada und Galant gesucht, danach hatten sie sich den restlichen Bezirk vorgenommen, sie hatten weiter nach weißen Autos gesucht, egal, welche Marke. Sie hatten neue Suchaktionen gestartet und noch einmal den See untersucht, diesmal bei der Landzunge hinten beim Svartåsen, doch ohne Ergebnis. Sie schauten in Gullys nach, sie kämmten den Wald durch, sie öffneten Scheunen und Keller.
    In der Solberg-Schule versuchten die Lehrer, für Ordnung zu sorgen.
    Die Tage ähnelten zwar äußerlich Schultagen, aber es herrschte dennoch Ausnahmezustand, alle konnten reden, wenn sie etwas auf dem Herzen hatten. Es gab Fachleute, die den Lehrern rieten, die Kinder mit ihren Phantasien zu Wort kommen zu lassen, und das führte dazu, dass einer der Jungen meinte, Edwin sei vielleicht zerstückelt worden, da sie ihn nicht finden konnten. Er liege vielleicht zum Teil hier und zum Teil da, behauptete er altklug. Bei dieser Bemerkung starrten die anderen Kinder ihn aus kugelrunden Augen an. Andere waren sicher, dass er auf dem Grund des Bonnafjords lag, noch andere, dass er gekidnappt worden war, jemand hätte ihn ins Ausland verschleppt, wo er vielleicht als Sklave lebte und nichts zu essen bekam, deshalb sei er jetzt dünn wie ein Strich und nicht mehr wiederzuerkennen. Edwins ruhiges Wesen, Edwins Langsamkeit, Edwins weiche, bescheidene Stimme hatten eine große Leere hinterlassen, und die Kinder übertrafen einander an guten Worten, wenn er erwähnt wurde. Selbst die, die leise getuschelt hatten, selbst die, die seinen watschelnden Gang nachgeäfft und ihn Fettkloß genannt hatten, selbst sie liebten ihn jetzt, und Edwin wurde zutiefst vermisst. Dieser Übergang von Auslachen zu Toleranz erschien ihnen selbstverständlich. In den Stunden starrten sie seinen leeren Stuhl an.
    In Jonas Augusts Klasse herrschte mehr Ruhe, weil sie ihn zum Grab geleitet hatten. Er lag hinter der Kirche, in der letzten Reihe zwischen den Gräbern von Haraldson und Ruste. Mehrmals gingen sie zusammen zur Kirche, sie standen im Halbkreis am Grab und machten sich traurige Gedanken. Einzelne traten vorsichtig auf dem Boden vor dem Grabstein von einem Fuß auf den anderen. Dass er allein in der schwarzen Erde lag, genau unter ihren Füßen, gab ihnen gewaltig zu denken.
    Die Presse hatte sich fast widerwillig anderen Fällen zugewandt, die waren zwar nicht spektakulär, aber sie waren frisch. Auf den Tag genau zwei Monate, nachdem Jonas August gefunden worden war, brachte Dagbladet einen größeren Artikel

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