Wer anders liebt (German Edition)
auf Holz.
»Ihr müsst diesen Irren finden«, sagte Naper. »Und zwar ganz schnell.«
An der Tür herrschte gewaltiges Gedränge. Naper zerrte die Hunde weg und führte die Männer in ein Wohnzimmer mit Blick auf den See. Die Hunde hatten dem Haus ihren Stempel aufgedrückt, es gab keinerlei Ziergegenstände und vom Parkett war auch nicht mehr viel übrig. Die Möbel waren alt und abgenutzt, am Fenster hingen braune Stofffetzen, die Vorhänge darstellen sollten. An den Wänden hingen mehrere Fotos, alle von den Hunden, man sah die Hunde im Schnee, die Hunde vor einem Schlitten, die Hunde an einem Strand.
»Ja«, sagte Naper und machte eine vage Handbewegung. »Hier wohnen nur ich und die Viecher.«
Er befahl den Hunden, sich auf den Boden zu legen. Sejer und Skarre setzten sich auf das mit langen, weißen Hundehaaren bedeckte Sofa. Naper war ein Mann von Mitte fünfzig, klein und sehr kräftig, mit einem beeindruckenden, eisengrauen Bart, an dem er dauernd zupfte. Wenn er seine Gäste ansah, dann für einen kurzen, scharfen Moment, sein Blick ruhte vor allem auf den Hunden.
»Wie gesagt, ich kann Ihnen kaum weiterhelfen, ich habe an dem Tag, an dem Edwin Åsalid verschwunden ist, weder Menschen noch Autos gesehen. Aber ich habe die Jungen gesehen, sie saßen auf dem Steg. Jetzt sind Gerüchte im Umlauf. Die haben Sie vielleicht noch nicht gehört, die Leute äußern ja ungern Beschuldigungen, sie haben Angst, sie könnten sich irren. Aber ich habe keine Kinder auf der Solberg-Schule, mir ist das also egal.«
Er kraulte einen Hund mit ziemlich viel Kraft. Das große Tier wälzte sich glücklich auf dem Boden.
»Die Gerüchte gab es schon lange bevor die Jungen verschwunden sind. Aber jetzt sind sie natürlich wieder aufgelodert.«
Naper ließ sich Zeit, seine Hände waren kräftig und behaart, sie bohrten sich mit viel Energie in den Hundenacken.
»Es geht um einen Mann, der andere Männer vorzieht«, sagte er und sah seine Besucher an. »Doch deshalb will ich kein Geschrei machen, mir ist das egal, alle sollen leben, wie sie wollen. So lange sie anderen nichts tun. Aber jedenfalls, er hat einen Lebensgefährten, und sie wohnen schon seit Jahren zusammen, sie wohnen in Nordby, sie haben ein altes Haus gekauft und restauriert. Und um es kurz zu machen: Er hat großen Zulauf an kleinen Jungen.«
»Wieso hat er das?«, fragte Sejer.
Naper zog einen Aschenbecher zu sich heran und holte eine zerdrückte Packung Drehtabak aus der Hemdtasche.
»Er ist Lehrer«, sagte er. »In Solberg.«
»Alex Meyer«, sagte Sejer.
»Ach. Sie haben das schon gehört, das hatte ich mir ja gleich gedacht«, sagte Naper.
Sejer widersprach. »Irgendwer hat seine Veranlagung erwähnt, das ist alles. Erzählen Sie mir, wie diese Gerüchte entstanden sind.«
Naper drehte sich eine schiefe Zigarette, steckte sie in den Mundwinkel und gab sich Feuer.
»Er nimmt die Kinder mit nach Hause«, sagte er.
»In sein Wohnhaus?«
Skarre hörte zu und seine blauen Augen ließen Napers Gesicht nicht los.
»Niemand weiß mit Sicherheit, was dort vor sich geht«, sagte Naper, »oder welche Rolle sein Freund spielt. Aber ich finde es schon seltsam, dass ein Lehrer auf diese Weise sein Haus öffnet, manchmal sind die Kinder noch abends da. Fragen Sie mich nicht, was die dort machen, ich finde es einfach seltsam. Man sollte doch meinen, nach einem Tag in der Schule hätte er genug.«
»Hat jemand ihn danach gefragt?«, fragte Sejer.
»Das weiß ich nicht.«
»Wie heißt sein Freund, wissen Sie das?«
»Ja, wie heißt der noch gleich? Johannes Kjær.«
Skarre notierte sich den Namen.
Naper streifte Asche von der Zigarette. Einer der Hunde gähnte ausgiebig, und Sejer sah kurz die imponierenden Eckzähne.
»Rikard Holmen, der den Supermarkt leitet, hat zwei Enkelkinder in der fünften Klasse«, erzählte Naper, »und die waren einige Male bei Meyer. Aber vielleicht hat ja alles seine Richtigkeit, vielleicht ist es nur das, was ich gesagt habe. Klatsch.«
Er bückte sich und kraulte einen anderen Hund. Sejer ging zum Fenster und schaute auf den See hinab.
»Sie können den Steg sehen«, bemerkte er.
»Ja«, sagte Naper. »Ich will ja nicht protzen, aber dieses Haus, das ich im Jahre vierundneunzig gekauft habe, hat die tollste Aussicht von Huseby.«
»Kennen Sie Edwin Åsalid?«
»Nein. Ich kenne ihn nicht, aber ich weiß, wer er ist. Alle wissen, wer er ist, er fällt doch auf. Und ich kenne mich ja nicht damit aus, aber ich weiß nicht
Weitere Kostenlose Bücher