Wer bin ich ohne dich
Ähnliches – präsentieren können. Oder sie ertränken ihren Kummer in Alkohol oder verschaffen sich durch aggressives Verhalten Erleichterung vom seelischen Druck.
Frauen dagegen achten mehr auf ihre Befindlichkeit, unterdrücken »negative« Gefühle nicht, und es fällt ihnen leichter, darüber zu sprechen. Sie scheuen sich nicht, dem Arzt gegenüber ihre Ängste, ihre Niedergeschlagenheit oder andere seelische Probleme zu offenbaren. Und sie sind auch eher bereit psychotherapeutische Hilfe in Anspruch zu nehmen als Männer. Frauen, so nennen das die Experten, haben eine höhere »emotionale Expressivität« als Männer. Dazu kommt, dass Mediziner die Depression für eine eher weibliche Krankheit halten und Männer seltener nach Symptomen fragen, die typisch für eine Depression sind. | 40 |
Hier soll angeblich ein altes Geschlechtsrollenstereotyp am Werk sein, wonach unter Medizinern die Frauen eher als schwach, ängstlich, sensibel und anfällig für Krankheiten gelten, während sie Männer eher als seelisch stabil und körperlich belastbar einschätzen. »Entsprechend wird bei Frauen auch schneller eine Depression diagnostiziert beziehungsweise werden Frauen schneller zu einer Fachperson verwiesen«, schreibt der Schweizer Psychologieprofessor Guy Bodenmann.
Sicher gibt es dieses unterschiedliche Krankheitsverhalten. Sicher neigen Männer dazu, Befindlichkeitsstörungen als körperliche Beschwerden zu maskieren. Und sicher sind Frauen aufmerksamer, was ihre seelischen Probleme angeht. Doch reicht diese Erklärung aus, um diese deutlich höheren Erkrankungsraten von Frauen zu erklären? Wohl kaum. Dieser Ansicht sind auch die meisten Depressionsexperten und verweisen deshalb gerne auf die biologischen Unterschiede zwischen Mann und Frau.
Die Rolle der Hormone
Schon immer wurde die stärkere Anfälligkeit von Frauen für seelische Probleme ihrem Körper zugeschrieben. So meinte im Jahr 1848 ein gewisser Thomas Coutts Morison: »Es herrscht Übereinstimmung darüber, dass die mentale Entfremdung häufiger unter Frauen vorkommt als unter Männern … weil in der Frau eine Bandbreite von Ursachen existiert, wie Störungen der Menstruation, Schwangerschaft, Niederkunft, Stillen, welche natürlich speziell für das Geschlecht sind.« Wer glaubt, dass sich die Zeiten inzwischen geändert haben und Frauen nicht mehr auf ihre Biologie reduziert werden, irrt, wie eine Äußerung des National Institute of Mental Health aus dem Jahr 2008 zeigt: »Die biologischen | 41 | und hormonellen Veränderungen, die während der Pubertät passieren, sind für die hohen Depressionsraten unter adoleszenten Mädchen verantwortlich.« Auch das »Kompetenznetz Depression« macht die weibliche Biologie für das höhere Depressionsrisiko verantwortlich. Auf dessen Internetseite heißt es: »Der Geschlechterunterschied ist teilweise auch hormonell bedingt. So sind Frauen in Zeiten mit großen Hormonschwankungen anfälliger für eine Depression: vor der Menstruation oder nach einer Geburt. Beim prämenstruellen Syndrom treten depressive und dysphorische Symptome immer nur vor der Menstruation auf. Die Anfälligkeit scheint genetisch veranlagt zu sein und durch Umwelteinflüsse verstärkt zu werden.« Und weiter: »Viele Frauen leiden im Wochenbett an einer depressiven Verstimmung, doch meistens handelt es sich um eine kurzlebige Erscheinung, den ›Baby Blues‹. Erst wenn die Symptome über einen längeren Zeitraum andauern, handelt es sich um eine ernsthafte Wochenbettdepression.«
Auf einer anderen Internetseite zum Thema Depression (www.depressionen-depression.net) wird noch eine weitere Erklärung angeboten. Dort heißt es: »Die Forschung geht heute davon aus, dass die Neurotransmitter in unserem Gehirn unterschiedlich auf Stress- oder Sexualhormone reagieren. Zudem scheint tatsächlich eine höhere Vulnerabilität für Depressionen bei Frauen zu bestehen. Dies bedeutet, dass Frauen anfälliger für depressive Erkrankungen sind. Zudem scheint der unterschiedliche Hirnstoffwechsel einen Einfluss auf den Krankheitsverlauf und die Dauer zu haben. Und schließlich dürfte die genetisch begründete Reaktionsweise der Frauen auf Stress noch ein weiterer Faktor sein.« Auch der Depressionsforscher Ulrich Hegerl, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie, macht das »hormonelle Chaos« in bestimmten Lebensabschnitten der Frau verantwortlich. | 42 |
Hauptverantwortlich für die weibliche Depression sollen danach also die
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