Wer Bist Du, Gott
hat sein Haus auf Fels gebaut und nicht auf den Sand der Illusionen.Wenn ich mein Lebenshaus auf den Sand der Illusionen baue, um bei allen beliebt und immer erfolgreich zu sein, dann wird es sofort zusammenbrechen, sobald ich
Kritik erfahre oder ein Misserfolg mich erschüttert. Nur wenn ich mein Haus auf Gott baue, ist es auf festem Fels gebaut. Es wird nicht zusammenfallen, auch wenn Stürme es erschüttern und Wasserwogen dagegen anrollen. Ich stelle mir immer vor, dass auf dem Grund meiner Seele Gott wohnt. Er ist der Grund meines Lebens. Wenn ich auf diesem Grund stehe, dann falle ich nicht so leicht um. Dann kann mich nicht so leicht ein Leid oder Missgeschick aus meiner Mitte herauswerfen.
WUNIBALD MÜLLER: Wenn es mir gelingt, mich in Gott zu verankern, darf ich die Erfahrung machen, inmitten meiner Ängste und Sorgen, an Gott angeschlossen, Teil eines Größeren zu sein. Aus dieser Erfahrung heraus erwachsen mir Sinn, Halt und ein Gespür für das Wesentliche. Ich besinne mich auf mein Kerndasein, das mehr ist als meine Karriere, meine Gesundheit, ein dickes Bankkonto, erfüllende Beziehungen oder gesellschaftliches Ansehen. Das alles kann verschwinden, doch ich existiere weiter. Ich verzweifle dann nicht, gebe die Hoffnung nicht auf, dass es für mich weitergeht, ich auch wieder bessere Zeiten erleben darf.Verankert in Gott, spüre ich, dass bei allem, was ich leisten kann und tun muss, eine geheimnisvolle Kraft heilend in mein Leben und meinen Alltag hineinwirkt.
Die Erfahrung des Heiligen
ANSELM GRÜN: Was du mit dem Angeschlossensein an das Grenzenlose, an Gott, bezeichnest, erinnert mich an das, was Peter Schellenbaum in seinem Buch Im Einverständnis mit dem Wunderbaren geschrieben hat. Das Wunderbare ist für Schellenbaum eine Chiffre für das Geheimnis des Seins, letztlich für das Göttliche. »Alles Neue fängt mit dem Wunder einer Offenbarung an, aber einer Offenbarung, die keinen Glaubensakt, sondern bloße Aufmerksamkeit fordert« (Schellenbaum 2000, S. 21). Das Wunderbare ergreift uns und »verströmt den Glanz einer unmittelbar erfahrenen Wahrheit«.
Das Wunderbare ergreift uns.Wir erleben es unmittelbar in unverstellter Direktheit. Es bricht überraschend und unerwartet in unser Leben ein.Wir selbst können es nicht beeinflussen. Es geschieht einfach mit uns. »Das Wunderbare sprengt Grenzen des bisherigen Erlebens, Denkens, Fühlens und Handelns«, meint Schellenbaum weiter. Es ist ein mystisches Erleben, das wir nicht auf einen logischen Diskurs reduzieren können. Es kann nur in Wundergeschichten weitererzählt werden. Das Wunderbare erscheint für uns wie ein Wunder.
WUNIBALD MÜLLER: Das Wunderbare, das uns ergreift, ist für mich die Erfahrung des Heiligen, das, so der evangelische Theologe Rudolf Otto, als mysterium tremendum et fascinosum mit einem großen Schrecken und einer großen Faszination einhergehen kann. Es ist die Verbindung von Erschaudern und Ergriffensein, die dazu führt, dass uns in
der Begegnung mit dem Heiligen, dem Geheimnisvollen Furcht und Scheu befallen. Die Begegnung mit dem ganz Anderen, einer höheren Macht, lässt uns erzittern. Wie wir erzittern angesichts von Naturgewalten oder eines Bombenhagels, der das Leben Tausender Menschen bedroht und eine Feuersbrunst entfacht, der sie hilflos ausgesetzt sind. Es ist aber auch das innere Ergriffensein, wenn wir die Nähe des Heiligen spüren oder erahnen. Religion hat, wer das Heilige empfindet, sagt der Religionsphilosoph Walter Schubart.
ANSELM GRÜN: Das Heilige ist für mich ein wichtiger Begriff, der den Menschen von heute eine Ahnung von Gott vermittelt. Jeder Mensch, auch wenn er nicht kirchlich gebunden ist, hat ein Gespür für das, was ihm heilig ist. Für den einen ist der Urlaub heilig, für den anderen der morgendliche Cappuccino. Heilig ist für die Griechen das, was der Welt entzogen ist. Wir sehnen uns in unserer säkularisierten Welt nach Orten des Heiligen, nach Orten, an denen wir dem Terror der Welt entzogen sind. Für die Griechen vermag allein das Heilige zu heilen. Dort, wo ein heiliger Raum ist, eine heilige Zeit, können wir aufatmen, werden wir frei. Dort hat kein Mensch Macht über uns. Das ist heilsam für uns.
DER MYSTISCHE WEG - VEREINIGUNG MIT GOTT
Gott ist persönlich und überpersönlich
WUNIBALD MÜLLER: In seinen Tagebüchern setzte sich Thomas Merton mit dem Zen-Buddhismus auseinander, den er sehr schätzte. Für ihn bleibt es aber dabei, dass Gott
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