Wer Bist Du, Gott
die Liebe ist und Gott ganz persönlich ihn liebt. Ich finde mich mit meiner Überzeugung und meinen Erfahrungen in seiner Aussage wieder: Für mich ist die personale Beziehung zu Gott Kern, Grundlage meiner Gottesbeziehung. Ich kann mich hineinversenken in die Tiefe meines Seins, zumindest versuche ich immer wieder, mich im Meditieren, so gut es geht, leer zu machen, um Platz zu schaffen für Gott, der als tiefes Geheimnis in mir lebt und zu dem ich als mein großes Du in Beziehung trete.
Thomas Merton erwähnt in seinen Tagebuchaufzeichnungen auch einen jungen Mann, der in einem Brief Meditation als narzisstisches Gehabe abtut. Das ist natürlich absurd. Das wäre es nur, wenn es bei der Versenkung in sich
hinein bliebe, wenn das Sich-Versenken uns weniger liebesfähig, weniger empfänglich und sensibel für unsere Mitmenschen machen würde. Entscheidend ist daher nicht, ob wir meditieren oder nicht. Entscheidend ist, ob wir durch das Meditieren liebesfähiger werden.
ANSELM GRÜN: Heute meinen ja viele Menschen, Gott sei apersonal. Gerade spirituell suchende Menschen, die dem Buddhismus nahestehen, schwärmen davon, dass sie den persönlichen Gott hinter sich gelassen haben und sich nur noch auf das Göttliche einlassen, das sie in allem erkennen. In jeder Aussage steckt natürlich ein Körnchen Wahrheit. Wir haben Gott manchmal zu klein gesehen und ihn zu sehr in das Bild einer menschlichen Person gepresst. Wenn wir von Gott als Person sprechen, dann übersteigt das unseren Personbegriff. Die theologische Diskussion um das Geheimnis des einen Gottes in drei Personen spricht ja im Griechischen nicht von Person, sondern von hypóstasis, also von drei »Seinsweisen«.
Für mich ist Gott immer beides: persönlich und überpersönlich. Es gibt Phasen, in denen ich Gott mehr als die Liebe, als die Energie, als die Schönheit, als die Kraft, als die Weite und als die Freiheit erlebe - das alles sind apersonale Begriffe. Aber ich darf Gott nie darauf festlegen. Gott begegnet mir aus der Unbegreiflichkeit seines Seins immer wieder als das Du, das mir entgegentritt.
Tiefe Verbundenheit und Dialog mit Gott
WUNIBALD MÜLLER: Darin liegt doch auch ein Reichtum. Wer sich auf Zen einlässt, erfährt einen Hauch von Ewigkeit, das ganz Andere, das Numinose, das, was unser Begreifen übersteigt. Doch zugleich ist das, was ich erfahre, wirklich. So formuliert es der Jesuit Niklaus Brantschen (2003, S. 44f.). Was er sagt, spricht mich an. Es sind Erfahrungen, die ich auch immer wieder mache und die mir als spirituelle Erfahrungen wichtig sind, ohne dass ich mich dem Weg des Zen verschrieben habe. Es sind Erfahrungen, die ich mache in der Meditation, angesichts eines erhabenen Sternenhimmels, beim Eintauchen in die Welt und Atmosphäre meiner Träume.
Pierre Stutz schreibt in seinem Mystikbuch Geborgen und frei. Mystik als Lebensstil (2009, S. 75f.) über die Beziehung zu Gott: »Mir ist beides wichtig, die tiefe Verbundenheit und der dialogische Aspekt. Denn ein Liebesgeschehen lebt für mich von einer Wechselwirkung, von Nähe und Distanz oder, wie Pierre Teilhard de Chardin es treffend sagt: ›Liebe differenziert.‹ Darum wird mir auch nicht warm ums Herz, wenn Pater Willigis Jäger - von dem ich durch seine Bücher viel gelernt habe - einen mystischen Weg verdichtet in den Worten ›die Welle ist das Meer‹. Dieses Aufgehen im Einen kann ich nicht absolut setzen, weil es nicht meiner Lebenserfahrung und meiner Sehnsucht entspricht.«
Es gibt, so Pierre Stutz weiter, eine »Unendlichkeitsmystik« und eine »Persönlichkeitsmystik«: »Beim Ersten ist die Gottheit die Einzige Wirklichkeit, das grenzenlose Meer, in dem das individuelle Selbst aufgeht wie ein Tropfen. In der
Persönlichkeitsmystik wird die Beziehung zwischen Mensch und Gott, zwischen Geschöpf und Schöpfer hervorgehoben. Beide Typen ergänzen sich.« Das ist ein Ansatz, der mir zusagt.Vielleicht liegt darin auch eine Anregung, Einseitigkeiten zu verhindern oder zu überwinden, bis dahin, dass die Vorliebe für den einen oder anderen Weg auch Rückschlüsse zulässt über unser Selbstbild und mögliche notwendige oder empfehlenswerte Korrekturen.
Das Ich wird am Du
ANSELM GRÜN: In der geistlichen Begleitung ist mir deutlich geworden, dass das Gottesbild und das Selbstbild immer miteinander korrespondieren. Ich frage mich, ob Menschen, die Gott nur apersonal sehen, nicht mit ihrem eigenen Personsein und mit ihrer Beziehungsfähigkeit zu anderen
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