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Wer Bist Du, Gott

Titel: Wer Bist Du, Gott Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anselm Gruen
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kann.
     
     
    ANSELM GRÜN: Die Erfahrung, von der du sprichst, kenne ich auch. Aber ich habe zugleich erlebt, dass auch das noch nicht der letzte Grund ist. Auf diesem tiefen Grund möchte ich mich gerne einrichten. Und so entzieht mir
Gott oft wieder diesen Grund, damit ich noch tiefer grabe und mich und meine Sehnsucht in die Abgründe meiner Seele halte, um Gott dort zu suchen.
    Johannes vom Kreuz meint, Gott würde uns am Anfang unseres Weges immer wieder trösten mit solch tiefen Erfahrungen des Friedens, dann aber würde er uns auch diese Sicherheit nehmen. Das muss nicht so kommen.Wir dürfen dankbar sein, wenn wir das Gefühl haben, auf dem Grund unserer Seele angekommen zu sein. Aber wir sollten damit rechnen, dass es noch nicht der letzte Grund ist, dass Gott uns auch diesen Grund wieder entziehen kann, um uns noch tiefer in das Geheimnis seiner unbegreiflichen Liebe hineinzuziehen.

Gott wird in uns geboren
    WUNIBALD MÜLLER: Das kann einen richtig in Angst versetzen, wenn ich davon ausgehen muss, dass ich selbst dann, wenn ich glaube, an meinem eigentlichen Grund angelangt zu sein, damit rechnen muss, noch tiefer zu fallen. Dass ich mich, was Gott betrifft, nicht irgendwo einrichten und glauben kann: »Jetzt bin ich so weit, jetzt falle ich nicht mehr aus der erfahrenen Verbundenheit mit ihm.«
    Was also trägt uns, was hält uns? Allein die Tatsache, dass wir getauft sind, dass wir einer Religionsgemeinschaft angehören, dass wir an Gott glauben, vermag uns nicht wirklich zu tragen und zu halten. Aber auch eine geerdete Spiritualität,
die mit unserer Tiefe, mit unserem Innersten verbunden ist, ist demnach keine Garantie dafür, uns von Gott als getragen und gehalten zu erleben. Allein der Weg nach innen, in unsere Tiefe, zu unserem Grund, führt in die richtige Richtung. Diesen Weg nach innen gehen wir - manchmal bleibt uns gar nichts anderes übrig, als ihn zu gehen -, wenn wir die Dunkelheiten des Lebens aushalten, durch sie hindurchgehen und dabei zu Grunde gehend zu unserem eigentlichen Grund gelangen.
    Gehen wir diesen Weg des Zu-Grunde-Gehens, so werden wir schließlich am Ende, wenn wir durchhalten, einen neuen Grund finden. Dieser neue Grund hat ganz wesentlich eine spirituelle Dimension. Für den, der an Gott glaubt, kann die Erfahrung des Zu-Grunde-Gehens zur Erfahrung der Gottesbegegnung werden. Das ist die Zusage der mystischen Tradition:Wer den Ich-Tod erleidet, der begegnet darin zugleich Gott.
    Gott wird in dir geboren. Es hat sich gelohnt, die Dunkelheit und den Schmerz auszuhalten. Jetzt bist du durch. Jetzt bist du in einer Tiefe bei dir angelangt, die dich Gott auf eine Weise erfahren lässt, wie du ihn bisher nicht erfahren hast. Freilich, ohne dass wir damit schon fertig wären, wir gleichsam jetzt schon den Himmel erreicht hätten. Vielmehr wartet, wie du ja sagst, der nächste Absturz schon auf uns. Ich kann gut verstehen, dass viele Menschen davon nichts wissen wollen, und obwohl ich weiß, dass es auch mich jeden Augenblick treffen kann, verspüre ich zugleich den Wunsch, zumindest vorerst davon verschont zu bleiben.

     
     
    ANSELM GRÜN: Früher ist mir die Rede der Mystiker vom Ich-Tod immer fremd geblieben. Und ich habe mich gegen manche allzu pessimistische Deutungen des Wortes Jesu von der Selbstverleugnung gewehrt. Aber je älter ich werde, desto klarer geht mir auf, dass der Ich-Tod notwendig ist, damit wir wirklich Gott erfahren.
    Den Ich-Tod dürfen wir allerdings nicht als Auslöschung des Egos missverstehen. Denn wer sein Ego auslöschen will, der merkt gar nicht, wie er einer Inflation verfällt, in der er sein Ego aufbläht mit spirituellen Vorstellungen, die ihm nicht zustehen. Manche, die von der Auflösung des Egos sprechen, möchten damit nur ihre Probleme mit sich selbst und ihrem Personsein religiös überhöhen. Sie sind nicht bereit, ihre Durchschnittlichkeit zu betrauern. Stattdessen kompensieren sie ihren Mangel an Ich mit den großen Worten vom Ich-Tod und wähnen sich schon als Mystiker. Davor müssen wir uns hüten.
    Es geht vielmehr darum, sein Ego immer wieder loszulassen, damit Gott in mir Gott sein kann. Das Ego will Gott für sich vereinnahmen. Wirkliche Gottesbegegnung geht daher nur über eine Entmachtung des Egos. Gott will in uns herrschen. Aber das Ego lässt sich nicht völlig entmachten. Es meldet sich immer wieder zu Wort. Damit müssen wir rechnen. Das gehört zur Demut, dass das Ego nicht ein für alle Mal überwunden werden kann. Es

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