Wer Bist Du, Gott
erfüllen. In den Sakramenten der Kirche bekomme ich Anteil an diesem göttlichen Leben.
Dabei ist die Eucharistie der tägliche Weg, von der göttlichen Liebe, die in Jesu Tod am Kreuz am deutlichsten offenbar geworden ist, durchdrungen zu werden. Für mich ist
es eine tägliche Übung, mich bei der Kommunion in dieser göttlichen Liebe zu verankern. Ich habe sie im Leib und Blut Jesu empfangen. Jetzt will sie der Grund meines Lebens sein, meines Arbeitens, Redens und Schreibens. Jetzt will sie durch mich in diese Welt strömen.
WUNIBALD MÜLLER: Für mich ist die Erfahrung der Verbundenheit mit Gott von elementarer Bedeutung. Es sind oft nur Momente, in denen ich diese Verbundenheit erfahre. Oft nur bruchstückhaft, aber dennoch so deutlich, dass ich die Verbindung mit Gott wie ein Fließen - von ihm zu mir - erfahre.
Ich habe dann den Eindruck, den Graben, der zwischen mir und Gott steht, überwunden zu haben. Hatte ich vorher noch das Gefühl, dass mir etwas Entscheidendes fehlt, so weicht dieses Gefühl jetzt einem Gefühl von »Ganz-Sein« und »Es-ist-gut-so«. Dieses Gefühl geht einher mit einem Gefühl von tiefem inneren Frieden und Zuversicht. Mag ich vorher noch beunruhigt oder ängstlich gewesen sein - jetzt kann ich einfach sein. Ich bin da, in mir, lebe im Augenblick, überlasse mich Gott. Ich lasse los, was mich vorher festhielt und in Anspannung versetzte.
Eingehüllt sein von Gottes Liebe
ANSELM GRÜN: Die Verbundenheit mit Gott erfahre ich einmal als Durchdrungensein von göttlicher Liebe, zum anderen als Eingehülltsein von Gottes Liebe. Wenn ich mich zur Meditation oder in eine leere Kirche setze, um dort still zu beten, dann fühle ich mich oft eingehüllt von Gottes heilender und liebender Gegenwart. Das tut mir gut. Dann werde ich auch selbst gegenwärtig. Ich bin ganz präsent und muss dann keine Gefühle von Verbundenheit in mir hervorrufen. Die Verbindung ist einfach da. Manchmal gelingt es mir dann auch, mitten in der Arbeit um dieses Eingehülltsein von Gottes Gegenwart zu wissen. Dann geht mir die Arbeit anders von der Hand. Die Nähe Gottes befreit mich von der bedrückenden Nähe mancher Probleme und mancher mich bedrängender Menschen.
Die geistliche Tradition hat diese Erfahrung mit dem Leben in Gottes Gegenwart ausgedrückt. In dieser Tradition stellt man sich vor, dass Gott uns umgibt wie die Luft, die wir atmen. Gott hat sich ja dem Mose am brennenden Dornbusch mit den Worten geoffenbart: »Ich bin der ›Ich bin da‹.« Matthäus hat diese Gottesoffenbarung aufgegriffen, wenn er von Jesus als dem Immanuel - »Gott mit uns« - spricht. Matthäus schließt sein Evangelium mit dem Wort Jesu, das uns seine ständige Gegenwart verheißt: »Seid gewiss: Ich bin bei euch alle Tage bis zum Ende der Welt« (Mt 28,20).
Wenn ich dieses Wort verinnerliche, dann bekommt die Gegenwart Gottes für mich eine sehr persönliche Note. Es ist nicht nur das Umhülltsein von Gottes Gegenwart, sondern
die Gegenwart Jesu Christi, der ein menschliches Antlitz hat, der mich mit seinen Worten begleitet und mit seiner Liebe, die nicht nur um mich herum ist, sondern auch in mir.
WUNIBALD MÜLLER: Solche Momente erlebe ich als Glücksmomente. In mir empfinde ich ein tiefes Glück. Ich schließe die Augen und koste dieses Gefühl aus. Ich befinde mich in Harmonie mit mir selbst. Ich vergesse dabei nicht die Welt um mich. Auch nicht die sich in Widerstreit befindlichen Seiten und Strebungen in mir. Doch in diesem Augenblick bin ich mit einer Schicht in mir in Berührung, die es mir ermöglicht, so sehr bei mir, so tief in mir zu sein, dass alles andere in mir und außerhalb von mir nicht dagegen ankommt.
Fühle ich mich mit Gott verbunden, dann fühle ich mich mit dem »Atem des Lebens« verbunden, »der unbändig ist und von weither kommt, der in das menschliche Leben die Weite bringt« (Russell in: Wilson 1990, S. 16). Ich bin in Kontakt mit etwas, »das weitaus größer ist als der Mensch« (Jung in: Wilson 1990, S. 16). Dass es das gibt »und dass der Mensch dazu fähig ist, sich dieser größeren Kraft zu öffnen«, ist für C.G. Jung »eine Aussage über den Kern religiösen Glaubens«.
Ich stimme dieser Aussage C.G. Jungs voll zu. Sie stimmt mit meinen eigenen Erfahrungen überein. Es ist nicht die Lehre von oder über Gott, die mir wirklich etwas bedeutet. Es ist diese Erfahrung der Verbundenheit mit Gott, die am Anfang meines religiösen Empfindens steht und die mir sehr
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