Wer Bist Du, Gott
sind.Vielmehr begreift sie alle Aspekte der Welt und unseres Seins als Arena für Gottes Handeln. Sie ist in das Konzert unseres ganzen Lebens integriert, steht in Beziehung zu unserem Leib, unserer Psyche, unserer Seele, beeinflusst unsere menschlichen Beziehungen.
Für manche Menschen ist es auf ihrer Suche nach einer geerdeten und gesunden Spiritualität zunächst einmal wichtig, sich von einem Glauben, einer Kirche, einer Gemeinschaft zu verabschieden, die sie als nicht förderlich für eine gesunde Spiritualität erlebt haben, die mit dazu beigetragen haben, dass ihre Seele verkümmerte, ihrer Seele die Nahrung vorenthalten wurde, die sie wirklich nährt und trägt. Auf der anderen Seite scheint es mir notwendig zu sein, dass jene, die sich von einer Spiritualität verabschiedet haben, die ihnen geschadet hat, sich auf die Suche nach einer Spiritualität machen, die sie zu nähren vermag. Denn eine gesunde Spiritualität ist für unser Leben und für ein geglücktes Menschsein wichtig. In diesem Sinne ist auch der Tiefenpsychologe C.G. Jung (1988, S. 353ff.) zu verstehen, wenn er sagt: »Unter allen meinen Patienten jenseits der Lebensmitte, das heißt jenseits 35, ist nicht ein Einziger, dessen endgültiges Problem nicht das der religiösen Einstellung wäre. Ja, jeder krankt in letzter Linie daran, dass er das verloren hat, was lebendige Religionen ihren Gläubigen für alle Zeiten gegeben haben, und keiner ist wirklich geheilt, der seine religiöse Einstellung nicht wieder erreicht, was mit Konfession oder Zugehörigkeit zu einer Kirche natürlich nichts zu tun hat.«
Es geht also darum, eine Spiritualität zu suchen und dann auch zu pflegen, die zu unserer seelischen und körperlichen Gesundheit beiträgt, die uns existenziell berührt, die uns in Grenzerfahrungen unseres Lebens zu tragen vermag, die aus unserer Tiefe kommt und in unsere Tiefe hineinwirkt.
Für eine therapeutische Spiritualität
ANSELM GRÜN: Die Spiritualität, von der du sprichst, wird deutlich in den Heilungsgeschichten der Bibel. Wenn ein Kranker auf Jesus zugeht, dann spricht er ihn nicht mit frommen Worten an. Vielmehr lässt er sich ein auf seine Krankheit, auf seinen Aussatz, auf das Gefühl, von allen abgelehnt zu werden, auf seine Lähmung, auf die Angst, die ihn lähmt, auf die blinden Flecken, die der Blinde nicht anschauen möchte.
Jesus berührt die Menschen an ihrer Wunde. Er lässt die heilende Kraft Gottes in die Wunden strömen. Manchmal allerdings heilt Jesus auch auf sehr konfrontierende Weise. Als der Gelähmte am Teich von Betesda klagt, dass er keinen Menschen habe und die anderen es besser hätten als er, reagiert Jesus nicht mit Mitleid, sondern mit dem strengen Wort: »Steh auf, nimm deine Bahre und geh!« (Joh 5,8). Jesus bringt ihn wieder in Berührung mit der Kraft, die in ihm verborgen ist, von der er aber abgeschnitten war.
Die vielen Heilungsgeschichten der Bibel zeigen uns, dass die christliche Spiritualität von ihrem Ursprung her
eine therapeutische Spiritualität ist. Das zeigt sich auch im Aussendungsbefehl Jesu: »Geht und verkündet: Das Himmelreich ist nahe: Heilt Kranke, weckt Tote auf, macht Aussätzige rein, treibt Dämonen aus!« (Mt 10,7-8). Dieses Wort Jesu ist eine ständige Herausforderung an uns Prediger, wie wir von Gott reden, ob von unseren Worten etwas Heilendes ausgeht, etwas Klärendes und Befreiendes.
WUNIBALD MÜLLER: Für eine therapeutische Spiritualität sind, wie ich es bereits angedeutet habe,Weite und Weitung wichtig. Die eher konventionelle Spiritualität konzentriert sich auf bestimmte isolierte Bereiche des Lebens, anstatt die gelebte und erlebte Erfahrung des ganzen Lebens einzubeziehen.Was nicht in die vorgegebenen engen Kategorien passt, wird oft ignoriert oder abgewertet. Das führt zu einer Spiritualität, die unvollständig bleibt und daher nicht selten abgrenzend negativ, klerikal ankommt. Manchmal hat sie keinen echten Bezug zu unserer Lebenswirklichkeit und wird damit einhergehend auch wenig oder kaum spürbar als therapeutisch, also heilend erlebt. Eine ganzheitlich ausgerichtete Spiritualität ist dagegen darum bemüht, das ganze Leben im Blick zu haben und ihren Teil zu einem Leben in Fülle beizutragen.
Ganzheitlichkeit ist die Bindeklammer zwischen Gesundheit und Spiritualität und dann auch Gesundheit und Heiligkeit. Spiritualität und Gesundheit haben viel mit Harmonie oder Integration der ganzen Person zu tun, zu der unser Körper, unser Geist
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