Wer Bist Du, Gott
den Buddha, den Christus in mir. Buddha heißt »der, der aufgewacht ist«.
ANSELMGRÜN: Die frühen Kirchenväter haben Spiritualität oft als Aufwachen verstanden. Die Gnosis, auf die sie eine christliche Antwort geben wollten, hatte den Zustand des Menschen als Schlafzustand beschrieben. Der Mensch geht durch diese Welt wie ein Schlaftrunkener. Er nimmt die Wirklichkeit gar nicht so wahr, wie sie tatsächlich ist. Geistliches Leben heißt: aufwachen, achtsam leben, mit wachen Augen durch die Welt gehen.
So versteht auch der indische Jesuit Anthony de Mello Mystik. Mystik ist nichts Weltfremdes, sondern ein Aufwachen zur Wirklichkeit. Jesus selbst spricht ja oft in seinen Reden davon, dass wir wachsam sein sollen. Und der Apostel Paulus mahnte die Thessalonicher: »Darum wollen wir nicht schlafen wie die anderen, sondern wach und nüchtern sein. Denn wer schläft, schläft bei Nacht, und wer sich betrinkt, betrinkt sich bei Nacht.Wir aber, die dem Tag gehören, wollen nüchtern sein« (1 Thess 5,6-8).
WUNIBALDMÜLLER: Diese Auffassung vertritt auch Bruder David Steindl-Rast. Er meint, dass jeder ein Mystiker sein kann. Für mich hat ein Mystiker zu sein ganz viel damit zu tun, immer wieder innerlich aufzuwachen, tiefer zu sehen, sich wundern zu können angesichts des Wunders, dass wir leben. Dass wir uns für einige Momente immer wieder einschwingen in den kosmischen Tanz, das heißt in den Rhythmus, der bei allem anscheinend von außen vorgegebenen
Rhythmus der eigentliche Rhythmus unseres Lebens ist. Der Rhythmus, der sich im Einklang mit der Schöpfung und seinem Schöpfer befindet.
All das kann für uns manchmal so weit weg sein, dass es sich anhört wie ein Märchen aus längst vergangenen Zeiten, das mit unserem Leben und unserer Wirklichkeit nichts oder kaum etwas zu tun hat. Dabei gilt das heute nicht weniger als vor Jahrtausenden. Es gilt für dich und für mich. Ist das aber nicht einfach wunderbar? Ja, ein Wunder? Ist es nicht höchste Zeit, sich dessen immer wieder bewusst zu werden, aufzuwachen, ein Buddha zu werden, der im Bewusstsein lebt: Gott hat Himmel und Erde geschaffen und ich bin ein Teil davon.
ANSELMGRÜN: Das Aufwachen hat bei Jesus und Paulus den Sinn, die Gegenwart Gottes in allem wahrzunehmen. Wir sollen mit wachen Augen die Zeichen der Zeit anschauen und darin Gottes Wirken erkennen. Wir sollen die Natur mit wachen Augen betrachten und in allem Gottes Geist schauen, der alles durchdringt.Wir sollen unseren Alltag achtsam leben, im Bewusstsein, dass wir immer in Gottes Gegenwart sind. Und es geht darum, auf die Regungen seiner Seele zu achten. Auch darin spricht Gott zu uns. Vom Cellerar verlangt der heilige Benedikt, er solle immer auf seine Seele achten. Er soll genau hinhören, mit welchen Gefühlen er in die Arbeit geht. Er hat die Aufgabe, die Trübungen seiner Seele immer wieder zu klären, damit von ihm Frieden und Klarheit ausgehen.
Religion und Glauben tragen zur Gesundheit und Heilung bei
WUNIBALDMÜLLER: Wie du bereits erwähnt hast, haben Religion und in besonderer Weise Spiritualität eine positive Auswirkung auf die Gesundheit des Menschen. Eine religiöse Einstellung und spirituelle Praxis müssen jedenfalls grundsätzlich keine negative Auswirkung auf unsere Gesundheit haben. Im Gegenteil: Religion und Spiritualität üben einen positiven Einfluss auf die persönliche Gesundheit und das persönliche Wohlbefinden eines Menschen aus. Körperliche und geistige Gesundheit haben profitiert von religiösen Entwicklungen, angefangen bei den therapeutischen Zentren in Tempeln, über monastische Gastfreundschaft für Kranke und Sterbende bis hin zu den Ordensfrauen in Hospitälern im Mittelalter. Auch in unserer heutigen Zeit stellen Untersuchungen eine starke positive Verbindung zwischen Religion und Gesundheit fest.
Damit soll nicht gesagt werden, dass jede religiöse Aktivität zum Wohle der Menschen gereicht oder positiv ist. Wohlbefinden ist vor allem positiv verbunden mit einer Religion, die internalisiert worden ist, die in sich motiviert ist und die auf einer sicheren Beziehung mit Gott basiert. Negativ verbunden ist es mit einer Religion, die aufgesetzt, jemandem sozusagen »übergestülpt« worden ist, mit einer Religion, die unhinterfragt übernommen und dürftig reflektiert worden ist.
Untersuchungen haben gezeigt, dass körperliche Gesundheit von religiösem Engagement profitiert, angefangen bei der Zugehörigkeit zu einer religiösen
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