Wer bist du, schöne Juno
daß sie die Hände rang, etwas, das sie noch nie im Leben gemacht hatte.
„Ich bin durch Ihren Heiratsantrag wirklich mehr als geehrt, Sir. Aber ich ...“ Sie hielt inne und fragte sich, was, um Himmels willen, sie sagen solle. „Aber ich habe nicht daran gedacht, mich noch einmal zu vermählen.“
„Nun, dann versuche, darüber nachzudenken.“
Martin hatte sich bemüht, der Stimme keinen scharfen Ton zu geben. Das war nicht die Art, wie das Gespräch sich eigentlich hätte entwickeln sollen. In der Tat, je länger er darüber nachdachte, desto seltsamer kam ihm die ganze Sache vor. Was war passiert?
„Ich muß Ihnen zu verstehen geben, Sir . . .“
„Nein, ich bin es, die dir etwas begreiflich machen muß, Helen. Ich liebe dich. Und du liebst mich. Was gibt es sonst noch?“
Sie schluckte und zwang sich, ihm in die Augen zu sehen. Martins Gesicht war in Schatten getaucht, so daß sie den Ausdruck nicht richtig erkennen konnte. Sie nahm an, daß er unwirsch war. Sie unterdrückte ein Frösteln.
„Sie wissen so gut wie ich, Sir“, sagte sie, um einen ruhigen Ton bemüht, „daß es sehr viel mehr als das zu berücksichtigen gibt.“
Er versteifte sich leicht und entsann sich dann, daß er schrecklich reich war. Bestimmt hatte Helen sich auf seine Vergangenheit bezogen, doch davon hatte er ihr erzählt. Hatte sie ihm nicht geglaubt?
„Ich befürchte sehr, meine Liebe, daß du dich etwas deutlicher Ausdrücken mußt, wenn ich dir folgen soll.“
Sie preßte die Hände zusammen und sagte kleinlaut: „Ich dachte daran, was Ihre Mutter sagen würde.“
Seine Reaktion war genauso heftig, wie sie vorausgesehen hatte.
„Meine Mutter?“ fragte er verblüfft. „Was, zum Teufel, meinst du, hat sie damit zu tun?“
Er hatte die Pläne der Mutter so gut wie vergessen. Waren ihre Machenschaften schon in London bekannt geworden? Der Gedanke, daß Helen ihn für die Art Mann hielt, der irgend jemandem gestatten würde, sich in eine solche Sache zu mischen, veranlaßte ihn, einen noch schärferen Ton anzuschlagen.
„Verdammt, ich heirate, wen ich will!“ fuhr er wütend fort. „Meine Mutter hat dabei nichts zu sagen!“
Bei seinen Fragen war Helen zusammengezuckt. Nach dieser vehementen Feststellung war sie noch mehr durcheinander. Nun hatte sie wirklich Kopfschmerzen.
Martin sah, daß sie aus dem seelischen Gleichgewicht geraten war. Sogleich bemühte er sich, sie zu beruhigen.
„Ich liebe dich, Helen. Selbst wenn mein gesamter Besitz auf dem Spiel stünde, würde ich dich immer noch heiraten wollen.“
Er hatte schlicht gesprochen, aus dem Herzen. Er war nicht auf ihre Reaktion gefaßt. Ihre weitgeöffneten Augen blickten ihn an. Der Atem schien ihr zu stocken. Dann bebten ihre vollen Lippen, und das Mondlicht fing sich in den Tränen, die an ihren langen Wimpern schimmerten.
„Oh, Martin!“
Die geflüsterten Worte endeten in einem Schluchzer. Abrupt senkte Helen den Blick und verschränkte fest die Finger im Schoß. Sie hatte nie jemanden so geliebt wie Martin. Sie konnte nicht zulassen, daß er ein solches Opfer brachte.
Von Sekunde zu Sekunde besorgter, von Minute zu Minute verwirrter, furchte er die Stirn und griff nach Helens Hand.
Die zum Haus führende Tür wurde geöffnet.
„Hier entlang, meine Liebe.“
Helen wollte aufspringen, wurde jedoch vom Earl zurückgehalten.
Zwei Gäste kamen in den ummauerten Garten. Martin stand rasch auf und zog Helen auf die Füße.
„Oh!“ sagte Hedley. „Du meine Güte! Ich habe nicht gewußt, daß schon jemand im Garten ist.“
Martin zog eine Braue hoch. Sein Blick schweifte von Swayne zu dem arg jungen Ding, das an dessen Arm hing.
„Seien Sie unbesorgt. Ich wollte Lady Walford ohnehin soeben ins Haus zurückbringen.“
Er drehte sich um und reichte ihr den Arm.
Sie nahm ihn und versuchte, so unbeteiligt wie möglich zu wirken, obwohl ihre Nerven in Aufruhr waren und das Herz ihr in die Knie gerutscht war.
„Oh, Lady Walford“, sagte das junge Ding nervös. „Würde es Sie stören, wenn ich mit Ihnen käme?“ Ohne die Antwort abzuwarten, drehte sie sich zu Mr. Swayne um und fuhr fort: „Ich glaube, ich habe wirklich nicht den Wunsch, jetzt den Garten zu bewundern, Sir.“
Rasch eilte sie an Lady Walfords Seite.
Die Verstimmung hinunterschluckend, sah Martin sich gezwungen, Lady Walford und ihren unerwarteten Schützling in den Ballsaal zu geleiten.
Sobald er wieder unter den strahlenden Kronleuchtern stand, bemerkte er, wie
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