Wer bist du, schöne Juno
Glas gerichtet, schüttelte er den Kopf.
„Die Frage kann ich dir nicht beantworten. Andererseits wäre ich nicht überrascht, wenn dem so wäre. Du weißt, wie Walford war.“
Martin nickte bedächtig.
„Könnte die Ehe bei ihr seelische Narben hinterlassen haben, so daß sie sich nicht überwinden kann, eine zweite in Betracht zu ziehen?“
„Das kann nur sie dir sagen“, antwortete Marc achselzuckend. „Aber ich halte es eindeutig für eine Möglichkeit.“
Fast unmerklich erhellte sich Martins Miene.
Marc bemerkte das und fragte: „Woran denkst du?“
Er erhielt ein schiefes Grinsen zur Antwort und dann die Bemerkung: „Ich habe daran gedacht, wer geeigneter sei als ich, eine solche Krankheit zu heilen. Nach reiflicher Überlegung meine ich, daß ich der perfekte Kandidat für die Aufgabe bin, Helen von den irdischen Freuden der Ehe zu überzeugen. Wenn ich trotz meiner umfangreichen Erfahrungen die Hürde nicht aus dem Weg räumen kann, dann habe ich Helen nicht verdient.“
Helen glättete den Rock, als der Earl of Merton sich neben ihr auf dem Kutschbock niederließ und die Zügel ergriff. Dann schenkte sie ihm in Erwiderung seines Lächelns ein strahlendes Lächeln und sie fuhren los.
Sie fand es bemerkenswert, daß in Anbetracht des mißglückten Heiratsantrages, den er ihr vor mehr als einer Woche gemacht hatte, sie dennoch imstande waren, so zusammenzusein und gemütlich eine Ausfahrt im Park zu unternehmen.
Sie erreichten ihn ohne Zwischenfall. Sie begannen eine langsame Rundfahrt über die von Laub bedeckten Alleen, hielten hin und wieder an und plauderten mit Bekannten. Schließlich lenkte Martin das Gespann durch das Eingangstor, ein zufriedenes Lächeln auf den Lippen.
Sie bahnten sich einen Weg durch den Verkehr, und Helen bemerkte, daß der Earl die Aufmerksamkeit voll auf die Pferde gerichtet hatte, die durch die bevölkerten Straßen nervös geworden waren. Zu ihrer Überraschung hielt er das Gespann vor einem imposanten Gebäude am Grosve-nor Square an.
Er drehte sich um, schaute sie lächelnd an und sagte: „Da sind wir!“
Er überließ Carruthers, der sofort zu den Pferden geeilt war, die Zügel,
sprang auf das Kopfsteinpflaster und wandte sich Helen zu, um ihr beim Aussteigen behilflich zu sein.
Dem sachten Druck folgend, den seine Hand auf ihren Rücken ausübte, schritt sie vor dem Earl die Treppe hinauf. Die Tür wurde sogleich von einem imponierenden, wenngleich beleibten Butler geöffnet, der sich verbeugte und die Herrschaften in die geräumige Halle bat.
Helen überließ ihm Hut und Pelisse, denn offensichtlich war der Earl of Merton in diesem Haus sehr gut bekannt.
„Das Zimmer am Ende der Halle“, wies er auf die offene Tür.
Helen ging in die angegebene Richtung.
Er folgte ihr einige Schritte, zögerte dann, drehte sich um und übergab Hillthorpe die Handschuhe.
Da Helen gehört hatte, daß er ihr nicht mehr folgte, schaute sie zu ihm zurück. Durch sein Lächeln ermutigt, schritt sie beruhigt weiter.
Vor der Tür bemerkte sie, daß ein seltsames Licht aus dem Raum fiel. Dann sah sie, daß die Vorhänge zugezogen waren, ein Feuer im Kamin brannte und eine geöffnete Weinflasche sich auf dem Sideboard in einem Eiskübel befand. Und schließlich bemerkte sie den breitesten Diwan, den sie je gesehen hatte. Verwundert blieb sie auf der Schwelle stehen.
„Ich wünsche nicht, gestört zu werden, Hillthorpe.“
Flucht war Helens erster Gedanke, dem sogleich die Frage folgte, wie sie es anstellen könne. Sie holte tief Luft. Hinter der Schwelle lauerte die Gefahr.
Sie versuchte, in die relative Sicherheit der Halle zurückzuweichen, mußte jedoch feststellen, daß sie zu lange gezögert hatte. Der Earl hatte ihr den Arm um die Taille gelegt und geleitete sie mühelos in den Raum.
Er ließ sie los, machte die Tür zu und verschloß sie.
Es beruhigte Helen nur wenig, daß er den Schlüssel im Schloß stecken ließ.
Sie bedachte ihn mit einem gekränkten Blick und sagte, in der Hoffnung, der Ton möge sie nicht verraten: „Sie haben mich hereingelegt!“
„Ich befürchte, ja“, bestätigte er mit breitem Grinsen und ging langsam auf sie zu.
Er sah nicht im mindesten reumütig aus. Was hatte er im Sinn?
„Ihr Benehmen in der vergangenen Woche war nur Heuchelei, nicht wahr?“
Er blieb vor Helen stehen, lächelte und sagte: „Du hast mich demaskiert, schöne Juno. Was kann ich zu meiner Verteidigung vorbringen?“
„Ihr Betragen ist unschicklich!
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