Wer bist du, schöne Juno
Skandalös! Noch viel schlimmer als das! Wenn Sie sich für Ihr Täuschungsmanöver entschuldigen wollen, dann bringen Sie mich unverzüglich zu Ihrer Karriole zurück!“
Helen hatte versucht, entschlossen zu klingen, doch ihre Stimme hatte gebebt.
Martin ging zu ihr, nahm sie in die Arme und sagte: „Ich habe einen besseren Einfall, wie ich für meine Sünden büßen kann.“
Er küßte Helen. Er fuhr fort, sie zu küssen, bis ihr Widerstand zusammenbrach, überwältigt wurde, in ihrer beider Leidenschaft ertrank.
„Sag, daß du mich heiraten willst“, sagte er schließlich. „Dann können wir solche Wonnen jeden Tag und jede Nacht genießen.“
Das war sein zweiter Heiratsantrag gewesen, doch diesmal waren die Umstände entschieden mehr nach seinem Geschmack. Er lächelte zuversichtlich und wartete darauf, daß die schöne Juno seine Werbung annehmen würde.
Sie konnte ihm nicht in die Augen sehen, als sie erwiderte: „Ich kann dich nicht heiraten, Martin.“
Sie hatte sich gezwungen, die Worte ruhig und deutlich auszusprechen. Aber sie fühlte sich wie tot.
„Warum nicht?“
Die Verwirrung und der Schmerz, der aus den beiden Worten geklungen hatte, raubte Helen fast die Fassung. Sie preßte die Hände zusammen und zwang sich, den Kopf zu heben.
„Es tut mir leid. Ich kann es dir nicht erklären.“
„Es tut dir leid? Dann laß mich nur einen Punkt deutlich klären. Du wärest willens gewesen, dich mir hinzugeben, nicht wahr?“
,,Ja, doch das ändert nichts. Es ist mir einfach nicht möglich, dich zu heiraten.“
„Warum nicht?“
„Es tut mir leid. Ich kann es dir nicht erklären.“
Die Augen verengend, erwiderte Martin: „Wenn mein ehrenhafter Antrag dir so widerwärtig ist, Helen, schlage ich vor, daß du auf der Stelle das Haus verläßt, ehe meine niedrigen Instinkte mich dazu treiben, dir ein noch viel beleidigenderes Angebot zu machen.“
Helen riß die Augen auf. Martin hatte sie hart am Arm ergriffen. Sie unterdrückte einen Aufschrei und ließ sich widerstandslos von Martin zur Tür bringen. So war es besser.
Er schloß auf, drängte Helen in die Halle und rief: „Hillthorpe! “ Sobald der Butler erschienen war, ignorierte er dessen überraschte Miene und fuhr fort: „Lady Walford möchte gehen. Rufen Sie ihr eine Droschke.“
Er ließ Helen los, verneigte sich knapp und kehrte in den Salon zurück. Hillthorpe half ihr in den Mantel und reichte ihr den Hut. Nachdem sie die Schute aufgesetzt hatte, verbeugte er sich und sagte: „Wenn Sie sich einen Moment in diesem Zimmer gedulden wollen, Madam? Ich rufe Ih nen sogleich eine Kutsche.“
Helen war ihm dankbar, daß er die peinliche Situation so gut im Griff hatte, folgte ihm in den Raum und unterdrückte alle Emotionen, bis es sicher für sie war, ihnen freien Lauf zu lassen.
Zwei Etagen höher beobachtete Damian vom Podest der gewundenen Treppe, wie Lady Walford dem Butler durch die Halle in einen Salon folgte. Er konnte sich nicht vorstellen, warum ein Mann wie sein Bruder eine Frau heiraten wollte, die er ebensogut als Mätresse hätten haben können. Die unleugbare Wahrheit war jedoch, daß dergleichen schon vorgekommen war.
Nach einer kleinen Weile wurde das Portal geöffnet und geschlossen. Lady Walford hatte das Haus verlassen.
Aber noch war Damian nicht in Sicherheit. Er kam zu der Erkenntnis, daß es für die Beteiligten, für den Bruder wie ihn selbst, eindeutig besser war, wenn Lady Walford nicht imstande war zu verlangen, daß Martin sie heiratete.
Und das konnte sie nicht tun, wenn ihr Ruf bösen Schaden genommen hatte.
10. KAPITEL
Abends fand in Barham House ein Maskenball statt. Der Abend war zur Hälfte verstrichen, als Helen, während sie mit Viscount Alvanley tanzte, merkte, daß ihre Maske beunruhigend verrutschte.
Plötzlich sah sie, daß der Earl of Merton entgegen ihrer Annahme doch zu dem Ball erschienen war. Er stand in der Nähe des Einganges zum Ballsaal und hatte die breiten Schultern gegen die Wand gelehnt. Seine Miene hatte einen finster brütenden Ausdruck, und sein Blick war reglos auf Helen gerichtet.
Sie versuchte, die sie von der anderen Seite des Raumes anblickenden grauen Augen zu ignorieren und sich mit allen möglichen Dingen abzulenken, da sie, wenn sie sich gestatte, dem Earl in die Augen zu sehen, befürchtete, daß sie die ohnehin schon in Mitleidenschaft gezogene Selbstbeherrschung vollends verlieren würde. Das durfte sie nicht zulassen, schon gar nicht mitten im
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