Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
hatte sein Leben noch vor sich gehabt. Er hätte sich auf die Suche nach seinem Glück machen können, drüben, in der ‘Neuen Welt’, im schönen Amerika, wovon alle Welt schwärmte. Gold, eigenes Land, die ganz große Freiheit... Das alles hatte er durch seine Trägheit verpasst. Und nun saß er hier, alt geworden, hatte die zweite Ehefrau verloren und fünf hungrige Mäuler zu stopfen. Die ganz große Freiheit würde für ihn immer ein Traum bleiben. Mit seinen leeren Taschen würde er nicht einmal bis zum nächsten Hafen gelangen. Und offen gestanden würde es ihm schwer fallen, seine Jungs, die er sich immer so sehnlichst gewünscht hatte, im Stich zu lassen.
Nun ja, was Robert Adlam betraf: Rückblickend gesehen konnte Heinz nicht leugnen, dass der Bengel von Anfang an gesegnete Hände gehabt hatte. Alles, was er anpackte, war auf seltsame, fast beängstigende Weise unter seinen Fingern erblüht. Er schien mit jeder seiner Entscheidungen recht zu behalten, egal, um was es ging. Diese Fähigkeit, irgendwie immer zu wissen, welche Handlung gerade richtig war, egal, was alle anderen dazu sagten, war für Heinz ein offenes Rätsel. So sehr er es diesem arroganten, reichen Kerl auch gönnte, einmal so richtig auf die Schnauze zu fallen, so sehr staunte er auch über das Glück, das Robert Adlam immer hatte. - War es wirklich nur Glück?
Jeder Deckhengst, den er einkaufte, egal, aus welch unglücklicher Zucht er auch stammte, brachte den AdlamPferden ein Stück mehr Eleganz und Schönheit. Wie oft hatte Johannes, der wirklich etwas von Pferden verstand, Herrn Adlam davon abgeraten, ein gewisses Tier mit seiner Zucht zu kreuzen. Wie oft hatte Herr Adlam nicht auf Johannes hören wollen und dann mit einer doch so offensichtlich falschen Entscheidung beste Ergebnisse erzielt?
Dass die Pferdezucht sehr schnell nicht mehr die Haupteinnahmequelle von Robert Adlam war, obwohl die Pferde zunehmend edler wurden und immer höhere Preise erzielten, war leicht ersichtlich. Schwerreiche Geschäftspartner tauchten oft mit ihren prächtigen Kutschen vor dem Hause Adlam auf, um dann mit Robert Adlam im Inneren zu verschwinden. Diese Herren warfen vielleicht ab und zu einen interessierten Blick auf die edlen Pferde, waren aber eindeutig in anderer Mission zu Gast. Manchmal ritt auch Herr Adlam selbst für einige Zeit fort und kam mit recht zufriedener Miene wieder zurück, um tags darauf gleich wieder neue reiche Herren zu empfangen, die mit ihm ertragreiche Geschäfte abschließen wollten.
Heinz konnte sich genau an die letzte Unterredung erinnern, die er mit seinem Chef gehabt hatte. „Du wirst für deine Arbeit bezahlt, und ich möchte endlich wieder sehen, dass du für dein Geld auch etwas tust. Ich kann dich nicht hier behalten, wenn du den ganzen Tag über nur an der Schnapsflasche hängst und deine Arbeit liegen lässt.“
Heinz hatte die schwer im Zaum gehaltene Wut, die in Herrn Adlams Stimme lag, so heftig getroffen, wie eine Feuerwand. Warum bloß war dieser Mann so furchtbar wütend auf ihn? Robert Adlam war doch in der denkbar besten Position. Er konnte Heinz einfach feuern und sich einen neuen Pferdepfleger suchen. Zack. Aus den Augen, aus dem Sinn. Also warum dieser Zorn?
Heinz fühlte sich zu Unrecht von dieser heißen Wut getroffen und er hätte diesem ignoranten Kerl gerne einmal so richtig die Meinung gesagt. Aber kein auch noch so sorgfältig zurechtgelegtes Wort kam ihm über die Lippen, wenn Robert Adlam ihm gegenüberstand. Nur irgendein unnützes Gestammel und Gestotter brachte er hervor, wenn die schwarzen Augen direkt in seinen Kopf zu sehen schienen.
„Teufelsvieh“, hatte die alte Mathilde an jenem Tag vor sich hingemurmelt, als der muskulöse, schwarze Hengst auf der Dorfstraße an ihr vorbeigedonnert war. „Pferd und Reiter Teufelswerk.“ Heinz hatte ihre leise gesprochenen Worte genau gehört. Mit zusammengekniffenen Augen hatte Mathilde dem Reiter nachgestarrt, ihr faltiges Gesicht eine sorgenvolle Maske im Dämmerlicht.
Das wilde, schwarze Pferd hatte Robert Adlam vor einigen Jahren von einer seiner Geschäftsreisen mitgebracht, offensichtlich eingetauscht gegen einen der schönsten Hengste seiner eigenen Zucht, mit dem er zwei Wochen vorher aufgebrochen war.
Das Tier trug keinen Namen. Jedenfalls hatte sein Besitzer ihn niemals in Heinz’ Hörweite ausgesprochen. Der Hengst wurde getrennt von den Stuten der Zucht gehalten, denn dieses Pferd würde wirklich die so sorgfältig
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