Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
gehorchten nicht mehr richtig. Die Kinder und all die daraus resultierenden Probleme wuchsen Heinz über den Kopf. Warum konnte Herr Adlam das nicht einsehen? Wie sollte er arbeiten und sich gleichzeitig um fünf wilde Blagen kümmern. Wie, bitte schön ?
Das eiskalte Wasser der Pumpe sprudelte über Heinz’ Kopf und brachte seine Haut zum Brennen. Er schüttelte sich, als einige kalte Rinnsale unter sein Hemd liefen. Nein, er wusste ganz genau, ein Gläschen Schnaps würde sicher mehr helfen, als all dieses kalte Wasser. Doch Johannes würde ihn wohl jetzt nicht mehr gehen lassen, das war ihm klar. Denn sein Bruder war darauf versessen, dass Heinz heute einen guten Eindruck auf die Kundschaft und den Chef machte, um seine Haut zu retten.
„So“, meinte Johannes, als er der Ansicht war, Heinz sei jetzt erfrischt genug, „geh schnell in den Stall und trockne dich ab. Und dann will ich dich arbeiten sehen, okay, mein Freund?“
Heinz schlang fröstelnd die Arme um seinen Oberkörper, schlug aber folgsam den Weg zurück zum Stall ein, um den Worten seines Bruders Folge zu leisten. Denn ihm war schon klar, dass Herr Adlam durchaus in der Lage wäre, ihn zu feuern, wenn er nicht seinen guten Willen zeigte. Von Mitleid oder vielleicht sogar Dankbarkeit gegenüber einem Menschen, der schon so viele Jahre treu und selbstaufopfernd Tag und Nacht für die teuren Pferde der Familie da gewesen war, hatte Robert Adlam noch nie etwas gehört.
„In diesem beschissenen Laden zählt unser Leben gar nichts“, murmelte Heinz ärgerlich vor sich hin. „Hauptsache, den blöden Viechern gut. Dann ist’s auch egal, ob meine Kinder auf der Straße verhungern.“
„Heinz, reiß dich am Riemen“, bat Johannes ihn. „Soweit wird’s nicht kommen, wenn du dich jetzt ein bisschen ranhältst.“
„Sei doch ehrlich“, erwiderte Heinz und musste im selben Augenblick gegen eine neuerliche Welle von Übelkeit ankämpfen, was ihn für einige Sekunden zum Schweigen veranlasste. „Sei doch ehrlich,“, begann er von Neuem, als er seinen Mageninhalt wieder einigermaßen unter Kontrolle hatte, „nach all den Jahren, in denen wir schon den Eltern immer alles recht gemacht haben, hab’ ich es da verdient, dass er nicht mal sehen will, wie dreckig es mir geht? Dass er immer nur danach schreit, ich soll endlich arbeiten, wo ich doch dauernd alle Hände voll zu tun habe?“
„Is’ schon gut, Heinz“, sagte Johannes. „Mir brauchst du das nicht zu erklären. Dass es dir mies geht, weiß ich. Und dass du es nicht verdient hast, auf der Straße zu landen, auch. Denn unser feiner Herr Adlam weiß ja gar nicht, wie das ist, wenn einer um sein nacktes Leben Angst hat. Der hat immer alles gehabt. Von Anfang an, immer. Aber du, Heinz, das mit dem Trinken muss aufhör’n, mein Lieber. Ich weiß, dass es manchmal nötig ist, seinen Ärger ‘runterzuspielen. Aber übertreib’s mal besser nicht, weil du dann nämlich gar nichts mehr im Griff hast.“
Da war also wieder dieser Vorwurf, den Heinz nicht leiden konnte. Ärgerlich wollte er zurückgeben: Du säufst doch auch, wenn dir danach zumute ist! Jedoch war ihm im selben Moment derart übel, dass er am liebsten in die Büsche gesprungen wäre, um alles, was er in sich hatte, herauszulassen. Aber vor Johannes wollte er sich diese Blöße nicht geben. So schluckte er eisern runter und merkte dabei, dass ihm der kalte Schweiß auf der Stirn trat, so, als habe er Fieber.
Als Herr Adlam mit seinen Kunden eintraf, waren Heinz und sein Bruder eifrig damit beschäftigt, alles vorhandene Zaumzeug draußen vor dem Stall sorgfältig zu prüfen und einzuölen. Die potentiellen Pferdekäufer waren ein äußerst teuer gekleideter, geschniegelter Herr namens Richard von Roder und seine gerade eben dem Kindesalter entwachsene Tochter in einem feinen Seidenkleidchen und mit einem großen Hut, der ganz offensichtlich unbequem für sie war.
Herr Adlam sah Heinz nicht einmal an, geschweige denn, dass er etwas zu ihm gesagt hätte. Er bat Johannes, sie zur Koppel zu begleiten, wo die junge Dame ein Pferd aussuchen wolle.
Als die Gesellschaft mitsamt Johannes verschwunden war, streckte Heinz sich müde auf der Holzbank vor dem Stall aus. Sein Durst war inzwischen beinah unerträglich, aber ihm war sonnenklar, er konnte hier nicht weg. Und wohin sollte er auch ohne Geld ?
Sein Kopf begann zu schmerzen, als ob jemand dort drinnen Murmeln spielte und die kleinen, harten Kugeln von innen gegen seine
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