Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
völlig von ihm durchschaut zu werden, und dieser Gedanke war ihr äußerst peinlich. Errötend senkte sie den Kopf, nur, um nicht mehr in seine Augen sehen zu müssen.
„Nein, bestimmt nicht“, murmelte sie vor sich hin, knickste noch einmal und verließ so schnell es ging den Raum. Ihr Gesicht glühte und ihr Herz klopfte einige Takte zu schnell, als sie die breite Treppe hinuntereilte, um Margarete in der Küche aufzusuchen.
Margarete rührte am Herd in einem dampfenden Kochtopf.
Sie trug eine gestärkte weiße Schürze, die keinen einzigen Flecken aufwies und bemerkte gar nicht, dass Josefine den Raum betrat und sich an ihre Seite stellte. Erst, als die junge Frau ihren Finger in den kleinen Soßentopf steckte, um zu probieren, schreckte Magarete aus ihrer Konzentration auf und bestrafte Josefine mit einem bösen Blick. „Erst Möbel putzen und dann mit ungewaschenen Fingern ins Essen packen, das sieht dir ähnlich.“
„Gut, dann packe ich eben demnächst mit gewaschenen Fingern ins Essen.“
Margarete runzelte verärgert die Stirn. „Du solltest deine Manieren wirklich mal entscheidend verbessern. Du arbeitest nicht in irgendeiner Bauernhütte, sondern in einem feinen Hause. Aber das ist dir anscheinend überhaupt nicht bewusst.“
Josefine seufzte über die ihr nicht unbekannte Strafpredigt und lenkte schnell ab. „Ich soll dir sagen, dass Besuch kommt, heute. Ein so ’n adeliger Herr mit Tochter. Wollen bestimmt ein Pferd kaufen.“
„Herr von Roder und Fräulein von Roder. Das habe ich nicht vergessen.“
„Gibt ’s wieder Gebäck? Mmmh, das essen die bestimmt nicht alles auf!“ freute sich Josefine.
------- HEINZ ------
Ihm war übel. In letzter Zeit war ihm ständig übel, wenn er nichts mehr zu trinken hatte.
Die letzte Flasche Schnaps, die er noch gehabt hatte, war nun auch wieder leer, und da war kein Pfennig mehr in seiner Tasche, um eine neue zu kaufen.
Er saß buchstäblich auf dem Trockenen.
Er bemerkte Johannes zu spät, um sich noch zu verstecken. Sein Bruder saß auf der Bank vor dem Stall und ölte Zaumzeug ein. Als er Heinz erblickte, legte er sofort die Arbeit beiseite und schüttelte erbost den Kopf. „Ich kann ’s ja gar nicht glauben! Dich gibt es also auch noch! Sag, wo treibst du dich eigentlich rum?“
„Der Lukas war heute Morgen krank, und da musste ich...“, begann Heinz, doch Johannes wartete gar nicht ab, bis er die Lüge zu Ende erzählt hatte.
„Lukas geht ’s gut, hab’ ihn eben vorbeiflitzen sehen. He, du siehst echt schlimm aus. Ich glaube eher, du bist krank.“
„Mir is’ nicht so gut, heute“, ergriff Heinz sogleich die neue Gelegenheit, sich herauszureden.
„Ich weiß, was du für Probleme am Hals hast, Junge“, meinte Johannes recht versöhnlich, stand auf und nahm seinen Bruder am Arm. „Aber unser Chef scheint das nicht zu wissen. Schätze, da liegt eine Menge Ärger für dich in der Luft.“
Johannes zog an Heinz’ Arm und lenkte ihn in eine bestimmte Richtung, in die Heinz nicht wollte. Deshalb sträubte er sich etwas und versuchte, seinen Arm zu befreien.
Johannes jedoch gab ihn nicht frei. „Du kommst jetzt mit und steckst deinen Kopf unter die Pumpe. Und dann nimmst du schnell einen Lappen und hilfst mir bei der Arbeit. Wenn nämlich die feine Gesellschaft gleich kommt, dann sollen sie uns beide arbeiten sehen.“
„Was für ’ne Gesellschaft?“ wollte Heinz wissen und ließ sich nun, da er wusste, wo es hinging, etwas williger führen.
„Kunden. Ein adeliger Herr mit seinem Töchterchen. Das feine Fräulein möchte ein neues Pferdchen haben. Herr Adlam war heute Morgen ganz schön stinkig auf dich, Heinz. Aber wenn er gleich mit seinen Kunden herkommt, dann soll es so aussehen, als ob du den ganzen Tag bei der Arbeit gewesen wärst.“
„Er ist stinkig auf mich? Ich reiß’ mir doch dauernd beide Beine aus, ich kann nicht alles auf einmal machen! Fünf schreiende Kinder zu Hause, und keine Frau, die sich kümmert! Was soll ich denn noch alles machen, ich hab’ doch nur zwei Hände!“ jammerte Heinz.
Das Schlimmste an allem waren doch nur die Kinder. Sicher, es gab keinen Kerl in der Welt, der sich nicht vier so prächtige Jungs wünschte, aber man brauchte dazu auch immer noch eine Frau, die die Kinder hütete. Seit seine zweite Frau, Thea, bei der Geburt des jüngsten Sohnes Lukas gestorben war, hatten die Jungs keine mütterliche Hand mehr, die sie hegte und pflegte. Sie wurden wild und unerzogen und
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