Wer Blut sät (Vater der Engel) (German Edition)
das wäre wirklich dumm von ihr.
Die einzige Frage, die blieb, war: Würde sie sich jemals wieder einem Mann anvertrauen können?
Als es plötzlich zweimal kurz an der Tür ihres Krankenzimmers klopfte und gleich darauf Robert eintrat, war sie recht überrascht. Im Verlauf der letzten beiden Tage hatte sie sich zu fragen begonnen, ob er eigentlich noch wusste, dass sie da war.
Er ging wortlos durch den Raum auf ihr Bett zu und setzte sich auf den Stuhl, den bisher nur Josefine auf ihren zahlreichen Besuchen in Katharinas Zimmer benutzt hatte. Dass er sich überhaupt setzte, ließ Katharina vermuten, dass er vorhatte, zum ersten Mal länger bei ihr zu verweilen, und sie nicht nach nur wenigen knappen Sätzen wieder allein zu lassen.
Sie schlug das Buch, das auf ihrem Schoß lag, zu und blickte ihn an, wartend, dass er das Gespräch eröffnen würde.
„Wie geht es dir?“ fragte er schließlich. Seine Stimme klang ein wenig zögernd, doch seine Augen musterten sie offen und ohne jede Verlegenheit.
„Schlecht“, antwortete sie ihm geradeheraus.
„Schmerzt dein Bein noch sehr?“
„Nein“, sagte sie. „Die Seele.“
Er griff ganz unvermittelt ihre Hand und hielt sie fest. Der Druck seiner Finger war nicht eben sanft, aber angenehm. Katharina spürte plötzlich wieder die lang vermisste Innigkeit seiner Zuneigung. Ihr Herz erwärmte sich sogleich. Robert lehnte sich auf seinem Stuhl zu ihr vor, sodass ihre Gesichter ganz nah beieinander waren. Sie blickte in die vertrauten Augen ihres Freundes und fragte sich nicht zum ersten Mal, was er sah, wenn er derartig intensiv in den Gesichtern der Menschen forschte: mehr, als sie selbst zu sehen vermochte?
„Katharina...“, begann er und hielt dann wieder inne, ohne auch nur für den Bruchteil einer Sekunde den Blick abzuwenden.
„Ja?“ forderte sie ihn auf, weiter zu sprechen, als nichts mehr kam.
„Dein Wunschnach einem Familienleben... Mit Ehemann und Kindern... besteht der weiterhin?“
Katharina nickte. „Ich glaube daran, dass das meine Lebenserfüllung ist.“
„Wie kann das sein?“ fragte er weiter. „Nachdem du so enttäuscht worden bist?“
„Der Wunsch ist so tief in mir drin, dass ich ihn nicht mehr aus meinem Herzen bekomme“, erklärte sie ihm.
„Und was hat dein Wunsch dir bisher eingebracht?“ fragte er sarkastisch zurück. „Ein zerschlagenes Knie, ein geschwollenes Gesicht und eine wunde Seele.“
Sie senkte den Blick. Auf ihrem Schoß neben dem Buch lag ihre Hand in der seinen.
„Ich habe aus meinen Fehlern gelernt“, sagte sie, ohne die Augen wieder zu heben. „Schmerzlich gelernt.“
„Und jetzt suchst du nach einem neuen Weg, um das zu erreichen, was du als deine Bestimmung in dir fühlst?“
„Ja“, murmelte sie, weiter in der Betrachtung ihrer beider Hände versunken. Der Druck seiner Finger, die ihre Hand umschlungen hielten, hatte sich nicht verändert. Aber vielleicht wird es Jahre dauern, bis ich einen Mann finde, dem ich wieder vertrauen kann.“
Sie blickte ihn wieder an, doch er hatte den Kopf zur Seite gewandt und starrte in das flackernde Licht der Öllampe auf dem Nachttisch.
Eine Weile schwiegen sie beide.
Dann sagte er in die Stille hinein: „Ein zweiter Versuch, aber mit anderen Voraussetzungen...“
Katharina legte leicht den Kopf schief. „Wie kommt es, dass ich das Gefühl habe, dass du gar nicht mehr von mir sprichst?“
Er wandte sich ihr wieder zu, ein merkwürdig trauriges Lächeln auf den Lippen. „Wir haben jeder unseren eigenen Weg zu gehen, Katharina. Und unsere eigenen Entscheidungen zu treffen.“
„Ich weiß nichts von deinem Weg und deine Entscheidungen“, sagte Katharina. „Obwohl ich doch deine Freundin sein möchte.“
Dies war eine indirekte Frage. Einer ihrer zahlreichen Versuche, endlich von ihm zu erfahren, was ihm auf dem Herzen lag. Er drückte ihre Hand noch ein wenig fester, sodass es schon etwas zu schmerzen begann. Katharina legte ihre freie Hand behutsam auf die seine und spürte, wie sich seine Finger aufgrund dieser sanften Geste nach und nach wieder entspannten.
„Bitte sei mir nicht böse, wenn ich mir Gedanken um dich mache“, bat sie ihn mit weicher Stimme. „Aber es gibt ganz einfach niemandem, der in meinem Leben so viel für mich getan hat, wie du.
– Und wie sollte es mir da gelingen, mich völlig aus deinen Problemen heraus zu halten und mich nicht um dich zu sorgen, wenn es dir schlecht geht?“
Er blieb stumm, doch in seinem
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